sicht-wechsel

Donnerstag, 29. Dezember 2011

Tugendwächter in Sambia

Eine meiner sogenannten „katholischen“ Lieblingsseiten brachte es mit unverhohlenem Jubel: Sambias Kirchen lehnen, ökumenisch einträchtig die katholische mit der evangelikalen Pfingstkirche, Entwicklungshilfe von den USA ab. Begründung: Die USA koppelt diese finanziellen Zusagen daran, dass mehr gegen die Diskriminierung von Homosexuellen getan wird.
Sambia, zur Hälfte christlich, ungefähr zu einem Viertel katholisch, neuapostolisch, protestantisch und freikirchlich, ist dabei eines der beim Thema Homosexualität rigidesten Länder – zudem mit einer extrem hohen HIV-Infektionsrate und einer massiven Tabuisierung von Sexualität.
Nun sind von der katholischen Kirche keine Wunder an Liberalität zu erwarten, weder in Deutschland noch woanders, noch kann man von der Bischofskonferenz in Sambia erwarten, dass sie zur Pressure-Group für Coming-Outler mutiert.
Schräger allerdings sind diejenigen, die auf dieser „katholischen“ Seite ihre Kommentare absondern und die katholische Kirche in Sambia fast zur Hüterin der wahren Moral hochstilisieren, nebenbei, man google nur ein wenig, ein gefundenes Fressen für eher kirchenferne Seiten. Die bringen diese Meldung kommentarlos – jeder weitere Satz ist überflüssig, es passt gut ins bekannte Denkmuster.

Schade, dass von keiner anderen offiziellen Seite nicht wenigstens die Anmerkung kommt, dass eine solche Einstellung selbst mit der – gewiss alles andere als liberalen – Position des Weltkatechismus unvereinbaren ist. Nicht vorzustellen, was los wäre, würde eine Bischofskonferenz nur mal ansatzweise über die Diakonenweihe von Frauen nachdenken….

Donnerstag, 22. Dezember 2011

Neues aus Waterloo

Ein paar Tage vor dem Fest aller Feste erklären mir Psychologen die Welt: Die allermeisten Menschen wollen den Glauben nicht aufgeben, einem aufrechten sozialen Gefüge anzugehören, mag es noch so schräg und schlimm sein. Im Kleinformat wird jeder für sich selbst zur Fallstudie – wenn man die Familie gerade am Fest der Feste noch so unausstehlich und grässlich findet, aber gegen Frotzeleien von außen verteidigt. War doch alles schön, alles nett, alles wundervoll, auch wenn das Fest der Feste droht, zur Apokalypse Now zu mutieren (aber was ist denn Weihnachten anders als ein Vorgeschmack der Wiederkunft des Herrn, und dass es vorher heiß zur Sache geht, hat Er selbst in der einschlägigen Literatur ausführlich dargelegt).

Und im Großformat? „In sozialen Systemen, die starken Einfluss auf die Individuen ausüben, beobachten Psychologen diese Rechtfertigungsmechanismen besonders häufig. Wer etwa vom Wohlwollen von Autoritätspersonen abhängig ist, wird diesen demnach besondere Zustimmung entgegenbringen“ (SZ vom 17.12.11).

Bleibt die Frage offen, wie viel Geld ausgegeben worden ist, um diese bahnbrechende Erkenntnis zu gewinnen. Ich jedenfalls wüsste gleich mehrere Organisation, die dieses ebenso virtuos wie kostenfrei demonstrieren.

Das eigentlich prickelnde an dieser bahnbrechenden Erkenntnis ist aber was ganz anderes: Die Forscher gehören ausgerecht zur Universität Waterloo…



Freitag, 16. Dezember 2011

com net

tvmaria – wer denkt denn bei so einer fromm klingenden Internetseite schon was Schlimmes. Schwerer Irrtum. tvmaria.net sollte es sein, auf der der gläubige User der Einführung des Erzbischofs von Manila fromm beiwohnen konnte, tvmaria.com wurde es dann, und was es da zu sehen gab, konnte, so wurde berichtet, selbst einem abgebrühten Atheisten die Sprache verschlagen. Jedenfalls sollen es sich um Beiwohnungen ganz anderen Art gehandelt haben, die die leidlich fromme Kirchenmaus nicht weiter ausführen mag, will, kann und darf.

Nun sind Fehler dazu da, aus ihnen zu lernen. Natürlich etwas mehr Sorgfalt im Internet. Kann nie verkehrt sein. Aber das wäre zu vordergründig. Denn hintergründig kündet uns doch das Geschehene etwas viel Erhabeneres und zugleich Abgründigeres: Wie eng nämlich Heiligkeit und Verruchtheit zusammenliegen können: Kuh und Bärin, Wolf beim Lämmlein, Leopard beim Böcklein, man erinnere sich – com und net, und das alles eben nicht nur im verweltlichten Internet, sondern im menschlichen Herz.
Und ich erinnere mich daran, wie irgendwelche trunkenen Spaßvögel über das Vordach einer Kirche am Niederrhein die Leuchtreklame eines sich im Abbruch befindlichen Etablissements setzten: club d’amour, was natürlich Predigtstoff genug gab, hatte nämlich einige Zeit vorher ein sich inzwischen in freudig-ewiger Anschauung befindlicher Kardinal verkündet, die Kirche sei doch ein Haus der Freude.
Wie die verirrten User sich verhalten haben, ist nicht überliefert. Die meisten, so darf man glauben, haben jedoch zügig die Konsequenzen gezogen....

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Habemus hominem

Als ich noch ein Student war (das ist lange her), gab’s im Münsterland ein katholisches Pfarrhaus, wo dem Anschellenden hin und wieder ein Junge im Grundschulalter öffnete: Papa, da ist jemand – und wenn man Glück hatte, hörte man eine Stimme: Du sollst nicht Papa sagen, wenn jemand an der Tür ist. Natürlich war das alles im Rahmen des offiziell Erlaubten: Pfarrer und Haushälterin hatten den Jungen adoptiert, manche älteren und ältlichen Fräuleins tuschelten, aber das tun sie immer.

30 Jahre später läuft der Film „Habemus Papam“ – beiden, dem Pfarrhaus und dem Film – ist gemeinsam, dass die Protagonisten aus der Rolle fallen: Der Pfarrer schien nebenbei eine Art guter Familienvater zu sein, und der gewählte Kardinal liebt sein Menschsein mehr als das Amt, entwischt dem kardinalösen Altherrenclub, blinzelt in die Sonne und flaniert beschwingt durch die Straßen Roms.

Der Film verzichtet auf die bekannten Kirchenklischees: Kein Missbrauch, kein mädchenschindendes Internat mit brutalen Nonnen. Die Kirchenkritik schleicht in Filzpantoffeln, aber nicht weniger existentiell: Amt und Mensch, das ist nur noch begrenzt kompatibel. Dem verhinderten Papst reicht die blinzelnde Sonne, andere brauchen mehr. Der Prototyp des Jungklerikers ist oben beströmisch gekleidet und trägt dazu Designerjeans, und ein Paderborner Theologenprof belehrt mich, dass Amtskleidung nichts mehr über progressiv und konservativ aussagt, sondern eine Frage des Designs ist: Sieh her, ich bin gaaaanz offiziell, aber ich habe auch Privatleben. Irgendwann wird’s zum Spagat.

Längst ist es eine Binsenweisheit, dass die, die konservative Parolen predigen, das ZdK ins Fegefeuer wünschen und Lateinisch und die Rückenperspektive lieben, durchaus eine andere Form des Privatlebens praktizieren. Patchwork-Identität nennt man das, vornehm ausgedrückt. Der Papst kritisiert den Relativismus. Aber der hat längst die eigenen Reihen gepackt und fragt nicht nach konservativ oder progressiv.

Dienstag, 6. Dezember 2011

Freiherr: Eure Chance!

In diesen Tagen, da wir uns anschicken, das Fest zu feiern, an dem sich Gott der armen Menschheit erbarmt, gedenken wir in Dankbarkeit und Freude auch der Menschen, die sich ebenfalls unserer Armut annehmen: Dr. ex. Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg. Ja, er wird wiederkommen, den einen zur Freude, den anderen zum Verdruss, geläutert, seine kleinen Schwächen zugebend und neu sich seiner Stärken bewusst, mit klarem Blick für das Wohl künftiger Generationen. Und er wird es geschickter machen als der andere Rückkehrwillige im Bayernlande, S.E. Dr. Mixa, dessen Comeback nur eine kurze Zeit dauerte und der dann wieder ins Stille und Beschauliche des Exbischofseins verschwunden ist.
Denn der Freiherr ist gewandter als der Bischof, und Seehofer schlapper als die bayerischen Bischöfe, die ihrem willigen Bruder Grenzen setzten. Denn der Freiherr weiß, um wie vieles ärmer die Politik geworden ist, seit er sie schnöde schneidet, er weiß, wie sehr das deutsche Volk nach dem korrekt gegelten Befreier lechzt – gerade in diesen Tagen des Advents. Und er weiß: Ein bisschen Schwäche zugeben, das kommt an - wer wird denn so böse sein und das immer noch ausschlachten? Lieber Herr Bischof, was misst doch die Welt mit unterschiedlichen Maßstäben!
Wenn, was wir nicht hoffen, ihm die Politik verwehrt sein sollte – wie wäre es denn mit dem Hintereinstieg über „Wetten dass?“ Wetten, dass es das gut machen wird, richtig gut? Und er hätte auch schon einen ersten Stargast. Natürlich S.E. Dr Mixa. Und ich hätte auch schon ein paar Ideen, welche Wetten besonders passend wäre….

Mittwoch, 30. November 2011

Erdbeben auf gut bayerisch

Ein äußerst beschauliches Stückchen Erde: Der Landkreis Regen mit knapp 79.000 Einwohnern (das ist sehr überschaubar) und eine Größe von 975 qkm (das ist schon ein bisschen mehr, das meiste davon ist übrigens Wald, bayerischer, versteht sich) ist, mit Verlaub gesagt, eine der letzten Winkel Deutschlands, ebenso katholisch (geschätzt 103 %) und ebenso der CSU verbunden (etwas weniger als 103 %).
Auf diesem Hintergrund kann man das, was am vergangenen Wochenende e stattfand, nur mit einem einzigen Wort bezeichnen: Erdbeben. Dieses Erdbeben ließ  in München die Kaffeetassen wackeln, löste bei Frau Merkel ein unbestimmbares Auf und Ab der Mundwinkel aus und bescherte dem Bischof von Regensburg gerüchteweise einen mehrminütigen Schluckauf. Geschehen war: Die Stichwahl zum Landrat. Gewählt wurde: Michael Adam. Die Liste seiner Unmöglichkeiten in aufsteigender Reihenfolge: 26 Jahre. Evangelisch. SPD. Wahlergebnis von 57 %. Schwul. Wahlbeteiligung: Knapp 60%, und nur zwei der 24 Stimmbezirke gingen an den CSU-Kandidaten. In seiner Heimatstadt Bodenmais holte Adam ein wahrhaft bayerisches Ergebnis: 73,9 %. Im Hintergrund trillern die Vögelein „Wunder gibt es immer wieder“. Und ganz Fromme wähnen bereits die ersten Boten der apokalyptischen Endzeit
All das wäre für eine Kirchenmaus eher belanglos. Doch beschäftigt sie seit Sonntagabend die bange Frage: Wenn schon dort, im bayerischen Walde, geschieht, was niemand erwartet, keiner vermutet und in den kühnsten Träumen unträumbar ist: Was mag wo noch alles geschehen.
Drum fühle sich niemand zu sicher… Wirklich niemand… Nirgends…

Freitag, 25. November 2011

Auf zum Myrrenberg, zum Weihrauchhügel!

Weltbildläden, vor allem in mittleren und kleinen Innenstädten zu Hause, haben immer den Geruch von ein bisschen konservativ. Hier ein Ratgeber für die glückliche Familie, ein Zimmerspringbrunnen, ein hausbackener Krimi in Sonderausgabe oder auch ein nettes Bilderbuch mit Geschichten vom hl. Nikolaus. Natürlich auch Bildbände über den Papst und ähnliches… Manche Bücher erwecken vor allem den Anschein, dass man sie gerne immer wieder weiterschenkt.

Endlich ist diese in erster Linie bieder und im Hintergrund katholische Kette in die Schlagzeilen geraten: Konnte man doch tatsächlich im Internetauftritt fündig werden: Ein wenig Erotik, so auf dem Niveau früherer RTL-Filme, die Papa verstohlen guckte, wenn Mama schon in süßen Träumen schwelgte, alles auf einem Niveau, über das jeder 14-Jährige altklug schmunzeln würde.

Die konservativ-rechte Flotte, vertreten auf einem Internetportal, dass bemüht ist, ernst zu wirken, und auf einem anderen, dass vermutlich Satire ist (mit manchen Ultrarechtskatholiken, die das tatsächlich ernst nehmen), hat nun zugeschlagen. Pfui Teufel, so rümpfte man die Nase – und selbige Rümpfende haben vermutlich schnell gebeichtet, dass allein schon die Betrachtung dieser Machwerke ihnen unzüchtige Gedanken bescherte.

Zu allem Überfluss garnierte man diesen edlen Kreuzzug noch fromm, sich im strengen Gehorsam den eher allgemein gehaltenen Sätzen des Papstes über zur Entweltlichung wähnend.

Vordergründig: Die Bischöfe sind auf Druck der rechten Ecke weich geworden, welchselbige den nun geplanten Ausstieg als Sieg und sich selbst als Speerspitze päpstlicher Weltabkehr feiert. Dass man diesen Verlag wohl schneller loswird als Frau Merkel ein Atomkraftwerk an Greenepace zum freudigen Weiterbetrieb, sei nur nebenbei erwähnt.

Hintergründig: Die Bischöfe sind froh, dass sie jetzt endlich einen triftigen Grund haben, ihr glänzendes Flaggschiff abzustoßen. Besser kann’s ja nicht kommen. Gewinn hat der Verlag ohnehin nicht gemacht, war irgendwie ein Klotz am Bein – außer Spesen nix gewesen.

Die rechte Ecke jedoch, so ist zu vernehmen, hat sich längst auf einen anderen Verlag eingeschossen, welcher unter anderem folgenden erotischen Text veröffentlicht:

„Wie ein Turm ist dein Hals, in Schichten von Steinen erbaut; tausend Schilde hängen daran, lauter Waffen von Helden. Deine Brüste sind wie zwei Kitzlein, wie die Zwillinge einer Gazelle, die in den Lilien weiden. Wenn der Tag verweht und die Schatten wachsen, will ich zum Myrrhenberg gehen, zum Weihrauchhügel.“ Will jemand wissen, wo der Myrrenberg liegt? Vorsicht, sie lauern schon wieder nach Unzüchtigem!

Donnerstag, 17. November 2011

Fröhliche Zukunftsmusik, vom ehrwürdigen Generalvikariat höchstpersönlich

Da habe ich nicht schlecht gestaunt, als ich einen Werbeflyer für ein Seminar erhielt, das konfessionsverschiedene Brautpaare ansprechen soll. Der evangelische Pfarrer, dem ja leider nicht die große Auswahl liturgischer Gewandungen vergönnt ist, im normalen Talar. Der katholische Kollege im Messgewand! Nun steckt bekanntlicherweise nicht nur der Teufel im Detail, sondern auch Gott höchstpersönlich. So sinnieren wir also ein wenig herum: Nicht, dass man eine konfessionsverschiedene Ehe auch innerhalb einer Messfeier schließen darf, keine Frage. Aber, wenn der evangelische Kollege mit von der Partie ist, geht’s laut Kirchenrecht nur in einem Wortgottesdienst. Und da hat nun laut katholischer Kleiderordnung ein Messgewand, wie der Name schon sagt, nichts zu suchen.
Ein Versehen des Flyeristen? Nein. Nie würden wir einem im treuen Dienst des Bischofs Stehenden mangelnde Sorgfältigkeit unterstellen.
Eine gewisse Eitelkeit des katholischen Kollegen? Ach nein, für diesen Fall gäbe es doch hochfeierliche Chormäntel, die den schlichten evangelischen Talar wie ein Paradiesvogel einen Spatzen um Lichtjahre übertreffen könnte.
Nein. Es bleibt nur eine Lösung. Fröhliche Zukunftsmusik, gewiss nicht ohne die berühmte Portion des „vorauseilenden Gehorsams“, der uns heute ein wenig fehlt. Ja, so sagt dieses Flyer: Bald (wobei beim Herrn 1000 Jahre wie ein Tag sind, man erinnere sich) wird es möglich sein: Eine zumindest ein bisschen ökumenische Messe (der evangelische Kollege muss ja nicht sofort eine Konzelebration starten aber predigen, das wäre doch ganz hübsch, und vielleicht noch ein wenig mehr eingebunden, da gäb’s doch vielerlei Gestaltungsmöglichkeiten….). Am meisten aber freuen wir uns, dass diese Anregung aus dem hochlöblichen Bischöflichen Generalvikariat kommt, getreu dem neuen Motto: Wir hinken nicht mehr hinterher, sondern denken voraus. Und so freuen wir uns schon auf die nächsten Bilder: Die Pastoralreferentin, die während der Messe predigt, das gleichgeschlechtliche Paar, das gesegnet wird (nein, nicht heiraten, das verlangt ja keiner!), der Bischof, der mit vielen Kindern um den Altar herum die hl. Messe feiert, ein Pastoralreferent, der feierlich mit der Leitung einer Gemeinde beauftragt wird… ach, ich hätte viele Vorschläge für zukunftsweisende Flyer. Bis dahin freue ich mich über das, was ich bereits in Händen halte ….

Samstag, 12. November 2011

Ciao Ciao Cavaliere

Die Freudenfeuerwerke sind schon startbereit. Bald wird es so sein, wenn er nicht noch im letzten Augenblick die silviosche Pirouette mit doppeltem Salto rückwärts einlegt. Silvio Berlusconi wird sich ganz seinem reichen, vielfältigen Privatleben hingeben können. 17 Jahre, selbstverständlich mit kleineren Unterbrechungen, stand er an der Spitze dieses wunderschönen Landes, verschrien, verhasst, verschmäht. Und doch immer wieder gewählt. Was man nicht vergessen sollte, wenn man jetzt meint, mit seinem Abgang seien die Pforten des Paradieses geöffnet.

Doch nein, wir werden nicht die Italiener dafür schmähen, dass sie ihm 17 Jahre immer wieder die Chance gaben, seine vielfältigen Fähigkeiten dem geneigten Publikum zu präsentieren. Denn die Italiener sind schlau.

Erstens: Der Cavaliere hat einen äußerst hohen Unterhaltungswert. Das ist heutzutage selten. Hier ein Skandal, da eine verbale Ferkelei, noch eine mentale Flatulenz. Wenn der Cavaliere auftrat, konnte man mit Recht was erwarten. Mehr jedenfalls als von trockenen Hosenanzügen, die auf eine alberne Blagenbande und oder einen bayerischen Dumpfhuber angewiesen sind.

Zweitens: Die Italiener wissen genau: Wenn nicht der, dann jemand anders. Der abgrundtiefe Spott eines einigermaßen gebildeten Italieners über die Politik als Marionettentheater der Wirtschaft wählt dann halt das unterhaltsamere Übel. Besser einen Dreckspatz mit Unterhaltungswert als einen Saubermann, der nur die Strippen versteckt, an denen er gezogen wird.

Drittens: Angesichts von vielen realexistierenden Männchen hatte der Cavaliere wenigstens ein bisschen was von einem richtigen Mann. Hat doch gerade erst der Sexualforscher Kurt Starke über den jungen Durchschnittsmann festgestellt, er habe so viele Berührungs-, Prestige- und Versagensängste, dass er lieber auf Sex verzichten würde.

Viertens, und hier wird es speziell katholisch und kirchenmäusisch: Die Italiener sind einiges gewöhnt und verfügen, zumindest was die Römer angeht, über eine Jahrtausend alte Erfahrung mit illustren Herrschern. In diesem Sinn ist der Cavaliere der wirkliche, wahrhafte und würdige Nachfolger der Renaissance-Päpste. Man sollte dieses Kollektivwissen nicht unterschätzen. Dieses sagt sich: Besser ein Lebemann als ein Trockenetwas.

Oh, ihr werdet alle noch spüren, was euch fehlen wird, wenn ihr erst einmal von einem trockenen Wirtschaftswissenschaftler regiert werdet, der den Wein nur in homöopathischen Dosen genießt, den Charme eines tugendsamen Trappistenmönchs versprüht und dessen Reden die Alternativen zum Einschlafrosenkranz sein werden. Deshalb, lieber Cavaliere: Ad multos annos, vielleicht doch noch im Gefängnis, auf jeden Fall aber von vielen zurzeitblonden, üppigbusigen Frauen umgeben!


Donnerstag, 10. November 2011

Wozu Krisen gut sind

Egal, was man liest und was man hört: Überall werden Krisen beschworen – in der Kirche, in der wir seit ungefähr 25 Jahren in der Krise sind, in der Politik, wo man sich von einer Bankenkrise zur nächsten Staatskrise hangelt, egal ob Griechenland oder Italien oder Frankreich, weiß der Geier, was als nächstes dran kommt.
Inzwischen glaube ich, hat das ganze Krisengerede vor allem einen entscheidenden Zweck: Man agiert und agiert, entwickelt Pläne und Rettungsschirme und neue Konzepte – und das alles erinnert vor allem an den armen Hamster im Laufrad.
Kirchenintern ist die ganze Misere nur noch schlecht kaschiert und zweigelagert. Selbst die Stellschrauben, die man nützen könnte, um für ein wenig Entlastung im Prozess der stark zunehmenden Entfremdung auch bei den eigenen Mitarbeitern zu sorgen (mehr Leitungsverantwortung für Laien, was kirchenrechtlich möglich wäre, vielleicht doch mal ein neues Nachdenken über Vielfalt bei Predigten oder ähnliches, was nun wirklich keinem einen Zacken aus der Krone bricht) werden sorgsam umschifft. Sie würden zumindest kleine Zeichen vertrauensbildender Maßnahmen sein, um mal von den größeren Dingen zu schweigen. Aber noch wichtiger wäre es doch, sich von Idealen zu verabschieden, die in längst vergangenen Zeiten liegen, durch Erinnerungslücken in wunderbar verklärtem Licht erscheinen und in anderem Licht betrachtet auch Akte der Befreiung sind.

Im politischen Kontext hat die permanente Krisenbeschwörung den schönen Nebeneffekt, von anderen Schauplätzen abzulenken. Grenzen des Wachstums? Von wegen. Wirtsschafswachstum wird wieder zu einem undiskutierbaren Wert an sich. Wer redet denn von der Klimakatastrophe (beschönigend inzwischen Klimawandel genannt), von immer häufigeren Dürren in Afrika, von drastisch sich verknappenden Rohstoffen? Da bewältigt man doch lieber eine Bankenkrise nach der anderen (wobei die Banken, nebenbei bemerkt, fast alle nach wie vor Gewinne in Höhen einstreichen, die jede Vorstellungskraft übersteigern).

Woraus zu lernen wäre: Jede schöne Krise hat vor allem den Zweck: Ein paar andere Sachen kann man galant in den Hintergrund schieben.

Freitag, 4. November 2011

Memorandös

Ruhig geworden ist es um’s Memorandum. Zur Erinnerung für alle Schnellgeistigen: Der Text, der von einer Reihe von Theologieprofessoren verfasst wurde und (mal wieder) Reformen in der katholischen Kirche anmahnte. Über die Wirksamkeit solcher Resolutionen war man schon damals geteilter Meinung. Immerhin war dieser Text ein Anlass für den Dialog, den einige Bischöfe angestoßen haben, wobei aus dem Dialog dem Vernehmen nach ein Gespräch werden soll bzw. es sehr unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, was denn nun dialogfähig ist und was nicht.

Nun hat die Zeitschrift „Lebendige Seelsorge“ das schon ziemlich geschlossene Fass wieder aufgemacht und eine Reihe von „Nachbetrachtungen“ veröffentlicht. So richtig gestolpert bin ich über eine. Heinz-Günther Schöttler, Professor für Pastoraltheologie, erklärt seine Gründe, warum er nicht unterschrieben hat. Er erläutert das unter der Überschrift: Qui asinum non potest, stratum caedit: Wer den Esel nicht schlagen kann, schlägt den Packesel, und er berichtet davon, was in der Zeit geschehen ist, nachdem er die „Petition Vatikanum II“ (www.petition-vaticanum2.org) aus dem Jahr 2009 unterschrieben hat:

„Menschen wurde von kirchenamtlicher Seite z.T. erheblich zugesetzt, weil sie Mitarbeiter von mir sind. Sie wurden gleichsam in „Sippenhaft“ genommen. Das hätte ich in der Kirche nicht für möglich gehalten, wenn ich nicht konkret eines Besseren belehrt worden wäre. Das ist es, was mich unfrei macht und unter Druck setzt. Deshalb habe ich das „Memorandum 2011“ nicht unterschrieben – aus Verantwortung für die persönliche und berufliche Zukunft von Mitarbeitern.“ (Lebendige Seelsorge 2011, S. 364).

Nun steht es jedem frei, das zu glauben oder nicht. Die sicherlich hier einsetzende fleißige Theroriebildung mag dem Autor zügig Verfolgungswahn unterstellen. Ganz ausschließen kann man es theoretisch ist. Das wäre schlimm. Viel schlimmer allerdings wäre es, wenn es stimmt, was der Mann schreibt … Dann: Gute Nacht in vielerlei Hinsicht.

Montag, 31. Oktober 2011

Merkwürdige Allianz

In der konservativen Kirchenecke kreucht und fleucht ja so einiges, oder sollte man nicht besser sagen - dackelt und schlängelt – und die Interessantesten unter ihnen sind die vermutlich von allerhöchster Stelle autorisierten Deuterinnen und Deuter der eher unkonkreten und phantasieanregenden Reden des Papstes während seines Deutschlandbesuches.

Unter der vom Papst empfohlenen Entweltlichung wird dabei regelmäßig der Verzicht auf Kirchensteuern empfohlen – oder sollten wir nicht besser sagen, als unbedingte Bedingung verstanden, den Worten des Heiligen Vaters entsprechend zu wandeln und handeln.

Dabei sollte man mal genauer hinschauen, welche Folgen das haben könnte. Für mich als einfachen Kleinstadtpfarrer: Vermutlich bekomme ich 500 € weniger. Netto versteht sich. Schließlich werde ich aus Kirchensteuermitteln bezahlt. Mich als sparsamer Spät- und Altachtundsechziger ärgert das vermutlich weniger als die gestylten Jungkleriker, die neben Soutane, mehreren passenden Messgewändern und diversen Rochetts natürlich auch mehr Wert auf ihre Zivilkleidung legen, oder, die beste Kombination: Klerikerkragen oben, Designerjeans ab Mitte abwärts.
Für unsere Gemeinde: Das meiste Geld stecken wir in die Kindergärten. 12 % Trägeranteil. Damit wäre Schluss. Was die Städte ärgern würde, denn dann wären wir arme Träger. Zudem hätten wir vermutlich weniger Pastoralreferenten. Wer deren Wegfall kompensieren könnte, wäre tatsächlich ein spannendes Thema. Vielleicht die Priester, die ja ohnehin alle unter Langeweile stöhnen.
Vermutlich dürften wir uns auch schneller als jetzt von vielen Kirchengebäuden trennen (schließlich kostet die Instandhaltung nicht wenig Geld). Heißer Tipp für alle, die protestieren werden: Schon jetzt merken, wer die Abrisssuppe mit einbrockt!
Die meisten kirchlichen Bildungseinrichtungen könnten dicht machen. Für die konservative Ecke sind diese ohnehin ein suspekter Hort anrüchiger Theologie. Was nur bedeutet, dass diese schon lange keine kirchliche Bildungseinrichtung mehr besucht haben. Zum Wochenende „Liturgie nach den Ideen des 2. Vatikanischen Konzils“ hat sich in den letzten gefühlten 100 Jahren niemand mehr angemeldet.
Wen es so richtig ärgern wird: Die Generalvikariate. Haushaltskontrolle, Innenrevision, Kontrolle der Pfarrgemeinden, Fachstellen –alles vorbei. Entweder kein Geld oder keine Notwendigkeit.

Vermutlich wird ein neues System der Finanzierung erfunden. Freiwillige Abgabe an die Gemeinde. Ich werde vermutlich ein wenig moderner, freundlicher, fortschrittlicher predigen dürfen (schließlich soll man die Kuh streicheln, die die Milch gibt). Und was die große Mehrheit der Leute hier denkt und wünscht, weiß ich inzwischen ziemlich gut. Von den Einnahmen werden wir einen Teil ans Bistum weiterleiten dürfen – damit auch die ärmeren Gemeinden ihre Priester nicht halbtags in die Fabrik schicken müssen.
Ganz Findige werden allerdings, um diesen Abzug zu vermeiden, ihr Geld lieber dahin stecken, was jetzt schon so manches in der Gemeindearbeit finanziert: Stiftungen, Fördervereine. Da, das sei angemerkt, entscheiden allerdings mehrheitlich die sogenannten Laien, was sie unterstützen und was nicht.

Wenn mich mein Erinnerungsvermögen nicht ganz täuscht, sind die jetzigen Befürworter der Kirchensteuerabschaffung nicht ganz unidentisch mit einer Reihe derer, die vor einiger Zeit sich in einer gewissen Petition „deutlich und vernehmbar an die Seite unserer Bischöfe stellen“ wollten, inzwischen mit den besten Bundesgenossen bei den Linken und Teilen der Kleinstparte FDP. Welch wunderbare Allianz, die zu allerlei Phantasien Anlass geben könnte.
Ich vermute, die so an die Seite gestellten Bischöfe denken schon mächtig darüber nach, wie sie ihrer Dankbarkeit für diese freundliche Unterstützung angemessenen Ausdruck verleihen können.

Dienstag, 25. Oktober 2011

Kopfkino mit Borgia

Eine wie soll es auch sonst sein unangenehme Erkältung legte mir nahe, gestern Abend den Pfarrgemeinderat von meinen Bazillen und ähnlichen zu verschonen und mir einen ruhigen Abend mit zwei Paracetamol, einem warmen Bett und… zu genehmigen. Und? Klar, ein Teil der deutschen Nation erfreut sich fernseherisch an Sex, Crime and Vatican, Borgia in sechs Teilen, zu viel Sex and Crime, um historisch plausibel zu sein, aber dennoch bleibt mehr als genug, um frommen Katholiken die Schamesröte ins Gesicht zu treiben.
Statt des Fernsehens allerdings bevorzugte ich Kopfkino mit der historisch wesentlich sorgfältigeren Darstellung "Kulturgeschichte der Menschheit Bd. 8" von Durant, welche überraschende Einsichten bescherte: Dass es vor allem katholische Forscher sind, die Alexander VI. überaus schlecht zeichnen (Hubert Jedin: „Der absolute Tiefpunkt des Papsttums“). Dass protestantische wesentlich milder urteilen. Dass seine Privatbriefe, selbst an Guila Farnese, die Schönheit schlechthin, mit religiösen Wendungen durchzogen sind. Dass er Satire und Kritik, worin die Römer immer stark waren, ausgesprochen gelassen hinnahm. Dass seine Tafel so wenig üppig bestellt war, dass die Kardinäle sie nach Möglichkeit mieden.

Am Schönsten aber ist die Zusammenfassung von Durant: „Alle jene unter uns, die gleich Alexander für den Zauber weiblicher Reize nicht unempfindlich sind, bringen es nicht übers Herz, ihn seiner Schwäche wegen zu steinigen. Seine Abirrungen vom geraden Weg waren nicht skandalöser als die von Enea Silvio Piccolomini, der bei den Historikern so gut angeschrieben ist, oder von Julius II., dem die Nachwelt gnädig verziehen hat. Man weiß nichts davon, dass diese beiden Päpste so liebevoll für ihre Mätressen und Kinder sorgten, wie dies Alexander tat… Er wäre ein ehrenwerter Mann gewesen, wenn nur die Gesetze der Kirche die Priesterehe – wie sie … das Italien der Renaissance wenigstens in der Praxis kannte – zugelassen hätten. Er sündigte nicht gegen die Natur, sondern gegen ein Gebot der Ehelosigkeit, das bald einmal von der Hälfte der Christenheit verworfen werden sollte.“

Die Römer jedenfalls haben ihm DAS jedenfalls nicht übel genommen. Viel spannender fanden sie, wie er Guila so lange bei Laune halten konnte… 

Freitag, 21. Oktober 2011

Die Köpfe der Hydra

Al-Gaddafi ist tot. Das Volk jubelt, und auch vielen westlichen Politikern scheint das Ende des Diktators sympathisch zu sein. Es ist zu vermuten, dass da auch ein paar persönliche Gründe mit eine Rolle spielen. Denn Tote können nichts mehr erzählen: Davon, wie man ihn im wahrsten Sinn des Wortes seine Zelte aufschlagen ließ in Rom, New York oder Paris, wie er im Jahr 2000 hoffnungsvoll heimgesucht wurde von Möllemann mit einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation, wie er gerne Rüstungsgeschäfte mit westlichen Ländern machte und genau die Waffen kaufte, gegen die die UN dann anschließend zu Felde ziehen konnte, wie er wegen seines Öls hofiert und gepflegt wurde. Vieles könnte er erzählen, wenn er noch könnte. Er kann aber nicht mehr. Was irgendwie auch schade ist. 

Denn das gilt für al-Gaddafi und wen auch immer: Es sind nicht nur und zuerst die Köpfe, die das System bestimmen und prägen. Es sind Hintermänner und Hinterfrauen, es sind Sympathisanten und Unterstützer, es ist ein weitverzweigtes Netz, was die Köpfe zu dem werden lässt, was sie sind. Unverdächtiges Beispiel: die Kehrtwendung eines Obama im Blick auf Guantanamo und andere ambitionierte Menschenrechtsziele. Den Wahlkampf gewonnen hat er als Person. Regieren kann er nur an den Strippen des Systems hängend. 

Al-Gaddafi ist tot. Doch leider ist es manchmal wie in der griechischen Sagenwelt. Es wachsen neue, ähnliche Köpfe, nur anders geschminkt. Und längst ziehen andere wieder die Strippen, so lange, bis der Zeitpunkt gekommen ist, den Kopf fallen zu lassen und einen neuen, unverdächtigen zu erschaffen.

Montag, 17. Oktober 2011

Von genusssüchtigen Päpsten und frommen Kirchenwächtern

Jeder Rombesucher, sollte er kein völlig barbarischer Ignorant sein, steht ergriffen vor den Madonnenbildern eines Raffael, schaut andächtig in der Sixtinischen Kapelle zu den Gemälden von Michelangelo hinauf, staunt über die Peterskirche, erfreut sich an zahllosen Brunnen, wandelt kulturfasziniert durch Kirchen, und, wenn er einen guten Reiseführer hat (schriftlich oder mündlich), werden ihm auch die Dimensionen der Frömmigkeit erschlossen, die aus all diesen Werken aufstrahlt.

Umso unangenehmer – für einen braven Katholiken, eine brave Katholikin – ist es, wenn er oder sie ab heute Abend (17.10) zur besten Sendezeit mit den Gräueltaten und Ausschweifungen von Borgia und Konsorten konfrontiert wird, Sex and Crime hoch zehn in allen Schattierungen und Spiel- und Abarten, die jeden kultivierten Abendländer erzittern und erschaudern lassen. Doch genau das ist der zeitgeschichtliche Hintergrund fürs fromme Staunen und Wundern. Leider ist das eine ohne das andere nicht zu haben.

Alles nur Produkte der Phantasie des Drehbuchautors, versuchen die Kirchenoberen ihre Schäfchen zu beruhigen, alles übertrieben, alles Wühlen im alten Dreckschlamm. Was leider nicht so ganz richtig ist. Selbst wenn man die Hälfte von dem streicht, was man da präsentiert bekommt, kann man mehr als nur das Gesicht verziehen.

Was für Zeiten, mag man denken, nicht wissend, ob man sich eher ekeln oder wundern soll. Was für Zeiten heute, mag man vielleicht aber auch denken, wo schon allein das Nachdenken über den Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen, die Rolle von Frauen in der Kirche, Kondome in Afrika und die Akzeptanz von Homosexuellen in den Augen der schmallippigen und süßsauerblickenden Kirchenwächter und –Kirchenwächterinnen zu einem hundertprozentigen Untergang des römisch-katholischen Glaubens führen wird. 

Lernt aus der Geschichte: Es war kein Alexander VI., kein Sixuts IV., kein Leo X. („Da Gott Uns das Pontifikat verliehen hat, so lasst es Uns denn genießen“), die der Kirche den Untergang bereiteten. Die allerreinste Lehre allerdings (wobei das immer auch eine Frage der theologischen Perspektive ist, was denn nun wirklich allerreinste Lehre ist und was nicht), mag zwar klinisch frei sein von bösen Bazillen und Viren, aber ob sie jemanden wirklich religiös erfreut und das Herz erwärmt, das ist alles andere als erwiesen.

Montag, 3. Oktober 2011

Freunde wie Sand am Meer

Inzwischen habe ich 126 Freunde. Morgen vielleicht 127. Übermorgen vielleicht 124. So genau kann man das nicht vorhersagen, doch eines ist sicher: So viele habe ich in meinem ganzen Leben noch nie gehabt. Tatsächlich gibt es nur wenige Menschen, die ich als (wirkliche, enge) Freunde bezeichnen würde, auch wenn Facebook mir was anderes vorgaukelt. Spannenderweise bin ich mit der Hälfte von ihnen gar nicht bei Facebook "befreundet". Doch: Steter Tropfen höhlt den Stein? Wer stündlich liest, dass er 523 Freunde hat, glaubt es irgendwann selbst.

Von diesen 126 (Stand: 3.10. 12.49 Uhr) kenne ich fast alle persönlich, Bekannte aus meinen Arbeitsstellen, solche, die ich irgendwo irgendwie kennengelernt habe, eine ziemlich bunte Mischung. Mit zehn oder fünfzehn „chatte“ ich hin und wieder, Informationsaustausch, ein paar Zeilen, viel Frotzelei. Bei meiner Fahrradtour war es reizvoll, möglichst vielen zu zeigen, wo ich gerade stecke, Kommentare durchzulesen, sich über Aufmunterungen zu freuen und ähnliches. All das macht Spaß, sorgt für Abwechslung und für eine Art von "Schlichtkommunikation".  Aber das sind dann auch die Grenzen. Ob jemand gerade unter Blähungen leidet oder mit dem linken Fuß aufsteht, ob jemand öffentlich seiner Freundin ein paar Herzchen schickt: All das ist nun wirklich ziemlich uninteressant und manchmal ein Fall von fortschreitendem Exhibitionismus, so nach dem Motto: Bei mir ist alles spannend, selbst das vor sieben Jahren besiegte Hühnerauge.

Was mir ist immer noch nicht klar ist, warum man sich beim Chatten die Finger krumm und hornhautig schreibt, aber nicht zum Hörer greifen kann (klar. Häufiges Sich-Besuchen geht heute nicht mehr so gut, kostet ja einfach zu viel Zeit, die einem dann bei Facebook und Konsorten fehlt...). Ich bin tief beeindruckt, wie manche jeden Tag genauso viele Freunde einsammeln wie ich derzeit Äpfel im Garten ernte. Nun hat Facebook zumindest den Vorteil, dass man bei fast allen weiß, wer tatsächlich dahinter steht. Klar gibt es auch hier Faker, aber die schaffen es in der Regel höchstens für ein paar Tage, jemand bei Schreiblaune zu halten.

Schräger sind die Foren, wo Leute ihre Identität verheimlichen können, aus welchen Gründen auch immer. Wer anonyme Kommentare zu Online-Meldungen von Nachrichtendiensten liest, kann eigentlich nur eine Erkenntnis gewinnen, diese allerdings in vielfacher Ausfertigung: Wer anonym schreiben kann, verliert früher oder später alle Hemmungen. Mal so richtig die fiese Sau rauszulassen, die ganze Klaviatur der Unhöflichkeiten, virtuos beherrschend.

Wir lernen daraus vor allem eine Sache: Viel mehr Zeitgenossen als wir meinen haben tief in sich drin eine reichhaltig ausgestattete Schmutz- und Dreckkiste. Höflichkeit gibt es bei vielen wohl nur aus Angst, ansonsten unangenehme Konsequenzen erleben zu dürfen. Eine wirklich innere Grundhaltung ist sie bei den allerwenigsten.

Wir verlernen aber etwas anders: Bei der permanenten Akquisition neuer Kontakte, neuer sog. Freunde gehen einem früher oder später die alten verloren. Mag ja sein, dass jeder, jede Neue ihren Reiz habt. Aber wer andere Menschen vorwiegend mit der Brille aus Optionen und Projektionen betrachtet, wird früher oder später ziemlich allein aufwachen. Die alten sind weg. Und die neuen sind Luftblasen, die nur für ein paar Augenblicke schillern.

Samstag, 1. Oktober 2011

Erntedank im Hinterhof

In vielen Kirchen ist der Erntedankgottesdienst fest in Kindergartenhand. Niedliche Kinder singen fröhliche Weisen über Äpfel und Kartoffeln und Gottes Güte, mit strahlenden Minen, von eifrigen Erzieherinnen animiert.

Dabei ist der Tag mehr als grausig. Denn die vom Kirchenjahr verordnete Dankbarkeit ist völlig inkompatibel zum Umgang mit Lebensmitteln in Deutschland. Jeder Europäer und  Nordamerikaner wirft im Schnitt 100 kg Lebensmittel im Jahr weg, und zwar essbare Lebensmittel. In Deutschland sind das 20 Millionen Tonnen, ein Drittel davon ungeöffnet, weil das sogenannte MHD überschritten ist. Supermärkte fangen bereits zwei oder drei Tage vor diesem Datum an, die Regale auszusortieren. Und das ist nicht alles. Jede zweite Kartoffel zum Beispiel bleibt auf dem Feld liegen, weil sie den Standards der Supermärkte nicht genügt. Über die „Produktion“ von Hühnern könnte man seitenweise schreiben. (Die Konsequenzen, die ich daraus ziehe, verschweige ich diesmal. Ich fürchte die Rache jüngerer und älterer Mädchen.)

Alles ein Skandal, angesichts zunehmend verfetteter Europäer und Nordamerikaner und einer Milliarden Menschen, die anderswo hungern müssen.

Inzwischen gibt es sogenannte Mülltaucher, die nachts in den Hinterhöfen der Supermärkte fündig werden. Sie sind auf dem richtigen Weg. Bier zum Beispiel ist mehrere Jahre nach Ablauf des MHD trinkbar, H-Milch mehrere Wochen, Saft im Karton acht Monate, vakuumverpackter Hartkäse länger als ein Jahr: Das ist eine ganz besondere Weise von Erntedank: Nachernte der Überfluss- und Wegwerfgesellschaft. Nicht die Schlechteste.

Dienstag, 27. September 2011

Bundesgenossen

Sattes Lob bekam der Papst nach seiner Deutschlandreise aus einer Ecke, die selbst ihm, der in seinem langen Leben mache Ecken kennenlernen musste, nicht ganz geheuer ist:


Da kommen sie also, die flinken Bundesgenossen für den Prozess „Entweltlichung von Kirche“, und freuen sich über den unverhofften Mitstreiter. Nun sind Schlagwörter in der Regel nicht besonders fruchtbar und weiterführend. Aber auch der Papst lebt nun einmal davon, dass er, gelinde gesagt, nicht ganz machtlos ist – man denke nur an die geschichtlichen Umstände der Gründung des Kirchenstaates und die damit unstrittig verbundenen Vorteile für den jeweiligen Amtsinhaber. Wenn er von Entweltlichung spricht, hat er natürlich nicht den Untergang der Kirche im Sinn, sondern eine Art „Gesundschrumpfen“, Konzentration. Dennoch ist der Blick weit hinter die katholischen und christlichen Mauern nicht ganz überflüssig. Denn dort erhofft man sich, dass der beförderte Prozess der Reduzierung nicht die Konzentration zur Folge hat, sondern dass am Ende eine kleine, unbedeutende, einflusslose Sekte stehen wird. Wenn am Ende dieses Prozesses jedenfalls nur die schlichten Ja-und-Amen-Sager übrig bleiben, mag diese Hoffnung nicht ganz unbegründet sein.

Der Papst verweist auf die Kraft und die Aufbrüche, die nach der Säkularisierung entstanden. Von meinem Kirchengeschichtsprof habe ich allerdings gelernt, dass sich Geschichte nie wiederholt.

Bleibt die Erkenntnis, dass die „Entweltlichung“ alles andere als ein risikofreier Prozess ist. Bleibt vor allem aber der Hinweis, dass Mt 20,26 nur einer sagen darf: Jesus allein. Alle anderen mögen sich an die eigene Nase fassen und sagen: Bei uns soll es nicht so sein. Und bei sich selbst anfangen – mit gutem Beispiel voran…

Samstag, 24. September 2011

Eine kleine Betrachtung über die Natur

Es war alles in nicht ungewisser Weise charmant: Eine im Rahmen ihrer Möglichkeiten nette Frau Bundeskanzlerin, ein Herr Bundespräsident, der freundlich dem Papst das sagte, was er schon wusste, ein Bundestagspräsident, der professionell-locker mit dem hohen Gast umgehen konnte, und, natürlich, vor allem ein Papst, der den christlichen Philosophen gab und die Damen und Herren des Hohen Hauses weder auf den Schlips noch auf das entsprechende weibliche Pendant trat… Und dann diese überaus geschickte Verneigung vor der ökologischen Bewegung, um mit einer gekonnten Virtuosität des Geistes von der Wiederentdeckung der Natur zur Natur des Menschen vorzudringen: „Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muß und die er nicht beliebig manipulieren kann.“ Sind wir zum heimlichen Höhepunkt der Rede gekommen? Ist der Papst endlich an sein Ziel gelangt? Eine Mikrosekunde nur, eher weniger, soll, so hörte man es munkeln, noch ein weiterer Satz überlegt worden sein: "Doch diese Natur des Menschen ist auch in der Geschichte der Kirche und vor ihren Vertretern oft missgedeutet worden, was nicht wenigen Christen Gewissenqualen und Leid zugefügt hat."

Aber nein, er kam nicht, der Satz. So wird also das Mäuschen weiter nachsinnen, was denn nun seiner Natur gemäß sein mag und nicht, was unnatürlich und was widernatürlich ist, was dem göttlichen Schöpfungsplan entsrpechen mag und was nicht. Eines aber weiß es: Die Katze, so wahrhaft natürlich ihr Trieb, Mäuschen zu fangen, sein mag, ist ein wahres Ekelpaket. Und, nur am Rande angemerkt: Die Mäusefalle ist nun doch auch eine ganz und gar unnatürliche Art der Mäusebekämpfung.

Dienstag, 20. September 2011

Im stillen Tal

Da, wo das Altmühltal in immer sanfteren Kurven sich ruhig und gemächlich durch die Landschaft windet, wo das grün der Felder immer satter wird, die Kühe glücklich schauen und die Menschen liebevoll durch die Gegend schreiten, da liegt das Pleasantville der katholischen Kirche. Eichstätt. Dorthin verschlug es mich zum Ende meiner kleinen Fahrradtour. Und ich war mehr als entzückt. Eine durch und durch katholische Stadt, ein Dom mit einem richtigen Bischof, viele Kirchen, ebenso viele Ordensniederlassungen, eine katholische Universität, kirchliche Realschulen, überall, wo man hinschaut: katholische Kirche. Ordinariat. Bibliothek. Dommuseum. Abtei. Kapuzinerkirche. Freundlich blickende, miteinander ins brüderliche Gespräch vertiefte Kleriker (zahlreiche!). Eine fast volle Vorabendmesse im Dom. Und wenn die Glocken läuten, ist das ganze Tal von himmlischer Musik erfüllt. Ach, man könnte stundenlang aufzählen….

Von dem erwerbstätigen Teil der rund 13000 Einwohner/innen scheint mir, grob geschätzt, ungefähr die Hälfte in kirchlichen Diensten zu sein. Die andere Hälfte sorgt dann dafür, dass diese am Leben und bei Gesundheit bleiben und dass Stadt und Kreis gut verwaltet werden. Irgendwie kam es mir vor: Viele von ihnen schauen ein wenig erlöster, ein wenig glücklicher, auch ein wenig selbstbewusster als die anderen Erdenbewohner.  Die Stadt aufgeräumt und sauber, gepflegt, vom milden Licht der Sonne beschienen.... Ein bisschen Himmel auf Erden. Katholischer Himmel, versteht sich.

So weit, so schön. Wären da nicht zwei Fahrräder. Mit Plakaten versehen, die frech zum Kirchenaustritt auffordern, schon mit durchaus geschmacklosen Parolen. Der (allerdings sich nicht namentlich nennende) Eigentümer verspricht mir sogar, die Gebühren zu erstatten, die mir entstehen, wenn ich den Kirchenaustritt erkläre. Da stehen sie nun, wie hässliche Fettflecken auf einer weißen Weste. Passanten gehen vorbei, viele ignorieren die gottlose Botschaft, manche schmunzeln in dieser selbstbewussten Art, mit der man ein freches Wort eines pubertierenden Mädchens quittiert. Man steht über den Dingen. Man lässt gewähren, wohl wissend, dass es den Mond nicht ärgern muss, wenn ihn ein ausgetickter Köter ankläfft.

Nun scheint die katholische Zukunft von Eichstätt gesichert zu sein. Die Hochschule steht für solide, liberal-konservative Qualität, ist begehrt und gefragt. Man lebt gut von der Kirche, und die Kirche lebt gut in der Stadt. Win – win nennt man so was. Im stillen Altmühltal wird das wohl noch lange gelingen… zumindest dort.

Dienstag, 6. September 2011

Der freundliche Herr Brummer

Chrismon gibt’s jeden Monat, kostenlos und frisch als Beilage zur Süddeutschen, zur Zeit, zur FAZ. Die Namen der Herausgeber klingen wie das who is who der evangelischen Kirchen in Deutschland. Eigentlich ein freundliches, gut lesbares Magazin, gerade, wenn man ein Herz für die protestantischen Halbgeschwister hat, mal abgesehen von einigen konfessionellen Zündeleien des schreibtätigen Theologen Kopp („fragen Sie Onkel Eduard“).
In dieser Nummer hat der Chefredakteur Arnd Brummer noch mehr Raum als sonst, erfreut er nämlich die geneigte Leserin mit Anekdoten seiner Biographie und dem hintergründigen Appell gemäß dem hl. Paulus "nehmt mich zum Vorbild". Wie er endlich loskam von der schrecklichen katholischen Kirche, allen und allem voran Joseph Ratzinger („als ich mit meiner Geduld am Ende war“), wie ihm von einem freundlichen Vikar die Tore zur evangelischen Kirche geöffnet wurden, wie drei würdige Damen des Presbyteriums sich des nach geistlicher Heimat lechzenden Mannes annahmen und wie er dann im Paradies landet, keine „Holy Horror Picture Show“, wie er die katholischen Hochämter zu Weihnachten und Ostern bezeichnet, sondern im Schiff das sich Gemeinde nennt sein wichtiges Plätzchen findet, befreit von Ohrenbeichte und Marienfrömmigkeit.  All das wird gekrönt durch sein Schlußgebet: „So danke ich heute dem Herrn, dass er sich seines Knechtes Joseph Ratzinger bediente, um mir den Weg in die neue Heimat zu weisen.“ Amen.
Dieses und noch mehr erscheint zum 13.9. als Buch „unter Ketzern“:  laut Vorankündigung, wie der „junge Intellektuelle“ (Brummer) erzürnt über eine Predigt des bereits häufiger erwähnten Joseph Ratzingers zuerst die Biege und dann die Landung macht. Ein auffällig platzierter roter Punkt weist auf den konkreten Umstand hin: „anlässlich des Papstbesuches“.
Nun kann man mir vieles nachsagen, nur nicht, dass ich nicht ökumenisch denke und fühle. Predigt mit der evangelischen Kollegin zum Reformationsfest, eine zu diesem Fest in einer katholischen Zeitschrift veröffentlichte Predigt und so manches mehr. Gerne war und bin ich bereit, an die Grenzen und manchmal auch hinter die Grenzen des Möglichen in der Ökumene zu gehen.
Niemand kann mir auch nachsagen, dass ich abgesehen von meiner Vorliebe für die Stadt Rom eine besondere Affinität zum Vatikan besäße. Eher muss ich meine Ironie zügeln, wenn’s darum geht zu verschweigen, was sich hinter manch würdig gekleideten Herren in Rom und anderswo so alles an Geschichten und Geschichtlein verbirgt (manchmal kann man gar nicht genug staunen über die Virtuosität der coincidentia oppositorum).
Aber: Ich habe die Nase gestrichen voll von all denen, die unsere Basisökumene, so recht, so schlecht sie funktioniert, kaputt machen wollen, egal, ob sie katholisch oder evangelisch gewandet sind. Ich werde auch nicht zu einem evangelischen Großereignis ein Kompendium all derer veröffentlichen, die von der evangelischen Kirche gefrustet (auch das gibt es) zur katholischen übergetreten sind. Über manche Respektlosigkeiten gegenüber einer anderen Kirche und Konfession kann man eben nicht streiten. Und ich werde auch nicht meine sündige römisch-katholische Kirche ins helle Licht heben, nur um die evangelischen Kirchen schlecht zu reden. Den gemeinen Heiden interessiert es ohnehin nicht, in welche Kirche er nicht geht. Der sorgt für ganz andere Herausforderungen - oder sollte es tun. Aber das scheinen manche in unseren Kirchen inzwischen vergessen zu haben, pflegen den Hurrakatholizismus oder Hurraprotestantismus und hauen sich gegenseitig in die Pfanne.

Herrn Brummer wünsche ich ein paar Tage im stillen Kämmerlein mit dem früher berühmten, inzwischen nicht einmal mehr berüchtigten Alexander Kissler (in etwa der Mario Barth des Rechtskatholizsmus, nur nicht so gefragt), dessen Niveau gewaltige Pirouetten dreht, leider nur nach Süden. Der nicht einmal schwer verdauliche Versuch seines letzten Satireversuchs über Erzbischof Zollitsch ist in seinen Tagebüchern nachzulesen (wer's denn mag). Schade. Er hatte mal bessere Zeiten. Aber das steht auf einem anderen Blatt und juckt die Kirchenmaus schon seit längerem für den Fall, dass es mal nichts Wichtiges zu scheiben gibt. Dazu noch Schmidt-Salomon mit seinem Ferkel. Der - die geneigte Leserin erinnert sich - ist an anderer Stelle bereits hinreichend gewürdigt worden. Nach den paar gemeinsamen Tagen der drei Herren kann es eigentlich nur besser werden.

Ach so: Wer es sich persönlich antun möchte:
http://chrismon.evangelisch.de/artikel/2011/unter-ketzern-12203
und:
http://www.alexander-kissler.de/10.0.html

Und schließe mich gerne einem Vorschlag eines Kommentators an: Den Spiegelkatholen M. noch dazu. Das wird ein Spaß....

Donnerstag, 1. September 2011

Er lebe lang!

Es sind nicht nur die großen Rätsel der Menschheit, die uns schlaflose Mittagsstunden bereiten. "Noch zu meinen Lebzeiten" hat er gesagt, er, Robert Zollitsch, Erzbischof, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, und, was in diesem Zusammenhang wichtig ist, geboren 1938. "Noch zu meinen Lebzeiten"... Gemeint waren Reformen im Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen, welchen, man erinnere sich, bei der Mitfeier der hl. Messe nur die geistliche Kommunion gestattet ist, was in den meisten Pfarreien ebenso intensiv befolgt wird wie Jugendliche die gemäß immer noch gültigen Moral der katholischen Kirche sündig-verbotenen Freuden der Jugend beichten - trotz aller Bemühungen des jugendlichen Teil des Klerus, ihnen mit freundlichem Lächeln einerseits und andererseits schon über 100 km Luftlinie als Kleriker zu erkennen eine breite Brücke zur Amtskirche mit all ihren moralischen Segnungen und Weisungen bauen zu wollen.
Doch zurück zu den Lebzeiten des Erzbischof Dr. Zollitsch, dem wir, das sei jetzt hier ohne jede Einschränkung verkündet, noch ein langes, wirklich langes Leben wünschen - und dabei schon die Doppelbödigkeit seiner nur vordergründig so simplen Botschaft spüren. Lebt er lange, sehr lange, mag's noch dauern mit der offiziellen Veränderung der Einstellung. Lebt er nur noch kurz (was der Herr verhindern möge), mag sein prophetisches Wort vielleicht doch nicht in Erfüllung gehen - wir kennen sie ja, die römischen Mühlen, die nur ganz selten, subito santo, ganz schnell werden können (wir denken immer noch an eine Tagung, die Würzburger Synode genannt wurde und deren Anfragen von einem römischen Schreibtisch zum anderen wandern, wenn überhaupt).
Oder steht er bereits in der Tradition der hervorragenden Vertreter der Anfänge des Christentums, welche auch zu ihren Lebzeiten so manches erwarteten, was Kohorten fleißiger Exegeten auf den Plan rief, die uns erklärten, wie das gemeint war - nämlich auf keinen Fall "vertan, vertan"?
Rätsel über Rätsel. Es sei Erzbischof Dr. Zollitsch gedankt, dass er im Blick auf die übersichtlicher werdende Spanne seiner irdischen Lebenszeit zur Eile mahnt, damit der Problematik der wiederverheiratet Geschiedenen nicht das gleiche Schicksal widerfährt wie die für kirchliche Verhältnisse relativ zeitnahe Rehabilitierung Galileo Galileis oder die freundliche Erlaubnis weiblicher Messdiener. Wir erinnern uns (aber nur schwach).
Oder wollte Zollitsch, verschmitzt wie er manchmal ist, uns nur eines signalisieren: Dass seine Lebenszeit im gut christlichen Sinn nie enden wird (nur gewandelt, neu geschaffen)?
Dann freilich beherrscht er perfekt die hohe Kunst kirchlicher Diplomatie: Die harte Wahrheit in eine gefällige Verpackung stecken.

Egal.

Er lebe lang, lang, lang!

Dienstag, 30. August 2011

Was hast du denn da eigentlich geglaubt, Alter? Das war doch alles nur ein einziger Märchenpark!

Am 21.8. ist der erste Todestag von Christoph Schlingensief.
Vielleicht mal als Alternativtext zu den neuesten Wasserstandsmeldungen der Deutschen Bischofskonferenz, die alle irgendwie nur Richtung Süden zeigen....

http://www.schlingensief.com/weblog/?p=553

Donnerstag, 25. August 2011

Wie einmal ein Bischof gegen Windmühlen kämpfte, die gar keine waren

Ein durchschnittlicher Fernsehzuschauer hat wenig Gelegenheit, Herrn Dr. Michael Schmidt-Salomon, meistens lächelnd-selbstbewusst, nach eigener Auskunft freischaffender Philosoph/Schriftsteller, zu entgehen. Schließlich erklärt er auf seiner Homepage selbst, „häufig in Presse, Funk und Fernsehen vertreten“ zu sein, was vielleicht auch schon etwas über seine Qualitäten aussagen mag.
Dr. Michael Schmidt-Salomon schreibt Bücher (was nicht verwunderlich ist). Er schreibt sogar Kinderbücher über ein Ferkel: Irgendwann taucht in diesem laut Humanistischem Pressedienst „liebevoll illustrierten Buch“ ein wohlgenährt-rundlicher Klischeebischof auf, wie er auch in einer etwas flachen bayerischen Bierwerbung erscheinen könnte, und erklärt mit ziemlich banalen Versatzstückchen dem Ferkel und einem Igel, wie schräg der Kreuzestod Jesu ist. Am Ende hat das Ferkel eingesehen, wie schön ein Leben ohne Gott ist. Quintessenz: „Ein Heidenspaß für alle, die sich nichts vormachen lassen wollen.“ So weit, so schwach.

Herrn Dr. Schmidt-Salomon hätte in seinem Leben vermutlich nichts Besseres passieren können, als dass Herr Bischof Dr. Müller aus Regensburg ein bisschen in seinen Büchern und Büchlein liest. Eigentlich könnte das bestenfalls den einen oder die andere zu der flapsigen Äußerung motivieren, wofür ein Bischof alles Zeit hat (wovon ich mich selbstverständlich in aller Form distanziere).

Kurz und schlecht: Der Bischof hat nicht richtig gelesen. Oder ihm wurde falsch Gelesenes sozusagen als Appetithäppchen fürs rustikale Predigen vorgesetzt. Jedenfalls: Herr Dr. Schmidt-Salomon wurde sinnverkehrt wiedergegeben. Herr Dr. Schmidt-Salomon fordert eine Unterlassungserklärung, die selbstredend unter der Würde eines g’standenen bayerischen Bischofs ist, und dieser zieht von Gericht zu Gericht, weil er seine Freiheit als Prediger und Bischof bedroht sieht und atheistische Zensur wittert. All das endet nach drei Jahren in der schlichten richterlichen Feststellung, dass „die religiöse Äußerungsfreiheit, auch soweit es um eine Predigt geht, keinen absoluten Vorrang vor den Belangen des Persönlichkeits- und Ehrenschutzes genießt“. Schluss und Amen. Und nicht nur ein bisschen peinlich für den Bischof, der sich dem Vernehmen nach noch längst nicht geschlagen geben möchte.

Das alles erinnert mich irgendwie an eine spanische Romanfigur, die kämpfend von Windmühle zu Windmühle eilt. Wobei natürlich jeder Vergleich hinkt. Denn bei den Verlautbarungen des Herrn Dr. Schmidt-Salomon handelt es sich höchstens um ein Windchen, oder, noch genauer gesagt, um Winde, möglicherweise von gewisser Natur, welch selbige erst der forsch-streitende Bischof zu kräftigen Windmühlen geadelt hat.

Für Herrn Dr. Schmidt-Salomon freilich hätte schon ein Satz von Chesterton gereicht: Ein Atheist „mit all der deprimierenden Eintönigkeit der Aussichten“.

Aber wer weiß: Vielleicht bekehrt Herr Dr. Schmidt-Salomon sich noch: Denn nur weil es Gott gibt, gibt es diesen Bischof. Nur weil es diesen Bischof gibt, gibt es schöne, öffentlichkeitswirksame Prozesse und Werbung für die Büchlein. Dafür sollte er doch dankbar sein. Denn war wäre Herr Dr. Schmidt-Salomon ohne Gott, auch wenn er „nur“ gegen ihn zu Felde zieht?

Nichts.

Amen.

Mittwoch, 24. August 2011

Kleiner rosa Schmetterling

Polen, die Wiege des römisch-marianisch-pontifexmaximus'schen Katholizismus, ist aufgebracht. Der Grund: Ein Schmetterling. Dazu noch in rosa. So jedenfalls verkleidet bereicherte Pawel Hanjcel, nach eigenen Angaben ein Performance-Künstler, die Fronleichnamsprozession der Dompfarrei in Lodz (älteren Leserinnen noch bekannt als „Theo, wir fahrn nach L.). Auf Youtube kann man nachschauen, wie ein Priester im vollen Ornat Hanjcel verjagt – der Film wurde inzwischen in Polen zum Hit.
Der Dompropst ließ sich nicht lange bitten: Er zeigte Hanjcel an: Herabsetzung der religiösen Gefühle der Gläubigen. Hanjcel dagegen selbstbewusst: „Ja, ich habe mich verkleidet. Die Priester tun das ja auch. Ich habe mich halt für das Gewand eines Schmetterlings und gegen eine Soutane entschieden.“

Inzwischen ist das alles ein mittelprächtiges Politikum. Die Kirche ruft nach dem Staat, der sie doch bitteschön schützen möge vor solchen gottlosen Subjekten, andere wiederum lachen sich ins Fäustchen, dass die Opposition gegen die immer konservativer agierende Kirchenleitung offenbar Früchte trägt.

Mir fiel das schöne Liedchen einer Dame namens Manuela Mahler ein, welches sicherlich, vom Propst und vom Künstler gemeinsam gesungen, dazu beitragen könnte, der Eskalation ein wenig Einhalt zu gebieten  …

Was hast du bloß, was machst du bloß,
was flatterst du so rum.
Du kennst doch alle Blüten, die es gibt.
Nun, setzt dich mal, und sag mir mal,
was treibt dich denn so um,
du hast doch an den meisten schon genippt...

Sei nicht dumm, flatter nicht rum:
kleiner bunter Schmetterling.
Das Rumgeflatter macht dich noch ganz krank,
oooohhhhh
Bleib doch sitzen wo du bist,
weil´s für dich viel besser ist,
wenn dich hier bei mir, hier bei mir
die Sonne küsst

… und schlage des Weiteren vor, Pawel möge als Zeichen des guten Willens bei der nächsten Aktion wenigstens auf das rosa zu verzichten, denn das ist schließlich den Priestern vorbehalten, und zwar an Laetare und Gaudete.

Bei 1:40 sieht man übrigens den ergrimmten Priester



Dienstag, 16. August 2011

Von einer kleinen Spitze eines kleinen Eisbergs, publikumswirksam plaziert


Man mag darüber denken wir man möchte: Ein knapp 40jähriger Mann, der mit einer 16Jährigen eine Beziehung pflegt, von Liebe spricht und dabei zum Taschentuch greift. „Nichts ist vielfältiger als Liebe“ sagte schon Werner Bergengrün- einerseits – und andererseits gehört Liebe zu den inflationär gebrauchten Begriffen. Ganz am Rande bemerkt sollte nicht vergessen werden, dass der Überarbeitung des Jugendsexualstafrechts auch die Überlegung zugrunde lag, die sexuelle Selbstbestimmung der Jugendlichen zu stärken. Auch darüber mag man zu Recht unterschiedlicher Meinung sein, und auch darüber, wer wann wem und wie auf diesem Gebiet Nachhilfe geben muss und geben darf. Aber das nur als Vorspann.

Tausendmal spannender als das, was da passiert geschehen ist, ist, mit welcher aufgedrehten und verlogenen Bigotterie sich die Medien die Mäuler darüber zerreißen; wie sie alle Hebel in Bewegung setzen, um noch so private Details aus dem Leben eines unverheirateten 40jährigen Mannes an die Öffentlichkeit zerren. Die Phantasien sind offenbar genauso vielfältig wie das Privatleben der forschenden Journalisten (manche gefüttert von sogenannten Parteifreunden). Diese, marktgesteuert, schreiben auch nur das, was Anton und Emma und Yvonne und Kevin nebst derzeitigem Lebensgefährten oder derzeitiger Lebensgefährtin gerne lesen, möglichst nicht zu viel, denn Lesen ist dem fernsehgeschulten Auge ohnehin eine Zumutung. Da feiert dann die bigotte Doppelwelt fröhliche Urständ: Einerseits ziehen sie sich nachmittags mitsamt ihren Kindern die schrägsten Talkshows rein, wo Amateurschauspieler abartige Phantasien bedienen, abends sitzen Papa und wohl auch Mama am Computer und vergnügen sich an allen möglichen und unmöglichen Seiten (deren Adressen der brave Nachwuchs im Browserverlauf vergessen hat zu löschen), und andererseits empören sie sich mit aller verfügbaren Inbrunst über Schmuddeligkeiten von Politikern und Co.
Kinderschänder gehören schon bei der kleinsten Vermutung zumindest umgebracht, am besten zentimeterweise. Politiker sind automatisch moralische Ferkel und Selbstbediener (klar, dass man über eine masochistische Ader verfügen muss, um dieser Tätigkeit noch nachzugehen). Dafür geht Papa hin und wieder in die halböffentliche Vollzugsbox zu Rumäninnen, die für ihren Zuhälter für 5 € pro Stunde arbeiten. Abtreibung ist schon seit Jahren kein Thema mehr, und wer sich darüber aufregt, wohnt weit hinter dem Mond. Ganz zu schweigen von „Eine-Welt-Themen“ einschließlich millionenfach verhungernder Kinder, die bei keinem mehr auch nur für den Anflug einer moralischen Entrüstung sorgen. Das, was das schöne Wort Verhältnismäßigkeit bezeichnet, ist inzwischen nicht einmal mehr ein Fremdwort. Der Herr von Boetticher ist wenn überhaupt nur eine kleine Spitze eines kleinen Eisbergs. Die großen übersieht man lieber. Denn die könnten Arbeit machen. Wünschen wir dem nächsten Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten, dass er ein dickeres Fell hat oder besser kaschieren kann. Viel Vergnügen!

Freitag, 5. August 2011

Die Schieetzen schwieetzen

Sieht geschrieben schwieriger aus als gesprochen, gesprochen nämlich von einer älteren, liebenswerten, inzwischen im Himmel weilenden Dame mit schlesischem Akzent, als bei strahlender Sonne und 35 Grad im Schatten die Schützen der örtlichen Gilde durch die Straßen zogen.

Aber in diesem Jahr brauchen die Schützen zum Schwitzen keine 35 Grad mehr. Inzwischen schwitzen sie auch bei diesem Wetter aus allen Poren. Vor Ort kann der Schützenkönig unbeschadet seiner sexuellen Orientierung Mitglied im Verein sein, unbeschadet seiner sexuellen Orientierung darf er auch auf den Vogel schießen, und, hat er ihn erledigt, ebenso unbeschadet seiner sexuellen Orientierung König werden. Zur wahrhaften Krönung seines Königtums kann er zudem, sofern vorhanden, seinen privaten Herzenskönig zum König bzw. zur Königin machen. Alles kein Problem, soviel Toleranz muss sein, auch bei Traditionsvereinen wie den Schützen in all ihren Erscheinungsformen.

Es wäre alles auch nicht weiter schlimm (weil eben nur lokal öffentlich), wenn da nicht ein Landesbezirks-Königsschießen in Horstmar und ein Bundeskönigsschießen in Harsewinkel anstünden. Denn da geht’s nicht mehr: König und König(in): Bitte hintereinander, nicht mehr nebeneinander. Damit soll dann demonstriert werden, dass das Sakrament der Ehe einen ungleich höheren Stellenwert hat als Lebenspartnerschaften. (Nebeneinander sitzen dürfen sie. Wie es beim Tanzen ist, ist meines Wissens nicht geregelt. Küsschen werden aber vermutlich zu unterlassen sein.)

Denn irgendwo ist, bei aller Toleranz, nur wirklich Schluss!

Unbestätigten Angabe zufolge werden aber auch heterosexuelle Teilnehmer des Schützenumzugs im Königs- und Königinnenrang jetzt auf ihre Würdigung des Sakraments der Ehe sorgfältiger geprüft.
Geschieden?
Zweitehe?
Guter Leumund?
Künstliche Empfängnismethoden praktiziert?
Zudem soll die Menge des ausgeschenkten Biers, was bekanntlicher Weise  hin und wieder zu leichten Enthemmungserscheinungen führen mag, rationalisiert werden, um nicht unziemlichem Treiben Vorschub zu leisten.

Da werden die Schützen aber schwitzen! Wir aber sind ihnen zu großem Dank verpflichtet. Denn durch ihre Mithilfe überlassen wir die Füllung des Sommerlochs nicht mehr dem schlappen Dax. Und Fußball, so richtig und gut für die Schlagzeilen, fängt ja auch erst heute Abend an. Wobei wir schon neugierig auf den Tag sind, wo sich ein Spielermann unter die Spielerfrauen mischen wird. Und wir fürchten, dass im Vergleich zu dem, was dann geschieht, unsere schwitzenden Schützen nur ein schlapper Vorgeschmack sein werden

In diesem Sinne: Gut Schuss!

Mittwoch, 3. August 2011

Ich weiss was

Wer kennt sie nicht? Die lieben Mitschüler und Mitschülerinnen, die mit ernstem Blick den Zeigefinger erhoben und vermeldeten „ich weiss was“. Oder in der Pause die Nähe der Lehrerin suchten, um ihre - manchmal mit Pikanterien angereicherten - Informationen gut zu platzieren.

Um nun ja kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Nur an meinen manchmal verwinkelten Assoziationen liegt es, wenn diese Erinnerung in mir aufsteigt, während ich an, sagen wir mal, "klerikale Dienstleister" denke, die mit höchster Sorgfalt und in gefühltem Auftrag des hl. Vaters ihre Ortskleriker begutachten: Hier das Vater - Unser ohne Unterbrechung gebetet, dort die hl. Kommunion wider die liturgische Ordnung zuerst den Gläubigen gespendet und dergleichen mehr, gerne dem zuständigen Bischof gekündet (und wenn der nicht innerhalb von einer Woche persönlich schreibt, dass er sich der Unarten annimmt), auch schon mal an Berlin („also wirklich, dat schreib ich jetz an de nutiatur“).

Nun pflegt man besonders in kleineren Dingen äußerst sorgfältig zu sein und würdigt solche Eingaben mit angemessenster Sorgfalt, was leider zur Folge hatte, dass gemäß Koh 12,12 eine gewisse Arbeitsüberlastung eintrat. Dabei würde es doch schon manchmal reichen, wenn man egal ob in Rom oder Münster oder Paderborn den flinken Schreiberinnen und Schreibern einen netten Gruß zukommen lässt mit dem Hinweis, man habe ihre geschätzte Eingabe an den angeblich Übeltuenden weitergeleitet – und man möge sich doch in Zukunft freundlichst an selbigen direkt wenden.

Doch wo die Not am Größten ist, naht das rettende Ufer (auch wenn es oft nur eine kleine Insel ist). So werden die Kleriker (Hirten) seit ein paar Wochen gewürdigt, ähnlich wie Ärzte, Juristen, Lehrer etc. der internetöffentlichen Beurteilung teilhaftig zu werden, was natürlich eine gewisse Ortskenntnis voraussetzt (ach, Sie sind der neue Pfarrer - nein, ich bin schon seit zehn Jahren hier).

Wie dem auch sei: Weil in diesem Internetforum die Kriterien höchst fraglich sind,  plant, wie immer unbestätigten Angaben zufolge,  die DBK eine Zertifizierung zumindest der Predigten nach folgender Formel:





a = Dauer der Predigt in Minuten
b = Zahl der Eingeschlafenen in den letzten sechs Predigten
c = Romfaktor in Punkten der letzten drei Predigten
d = nachgewiesene dogmatische Unsauberkeiten

PS: Der „Romfaktor“:

  • Die Unfehlbarkeit des Papstes nachdrücklich in Erinnerung gerufen: 3 Punkte. 
  • Wiederverheiratet Geschiedene gemahnt, nur geistlich zu kommunizieren: 3 Punkte. 
  • Gegen das Frauenpriestertum gepredigt: 3 Punkte 
  • Gegen künstliche Verhütung gepredigt: 2 Punkte. 
  • Zur monatlichen Beichte aufgerufen: 2 Punkte. 
  • Gegen gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften Stellung bezogen 1 Punkt 
  • Zur verstärkten Verehrung des Pfarrers von Ars gemahnt: 1 Punkt. 
  • Den Untergang des christlichen Abendlandes an ausgewählten Beispielen verdeutlicht 1 Punkt
(wird fortgesetzt)

Samstag, 30. Juli 2011

Einfach nur genießen

Vielleicht ist es das Sommerloch im Sommer, der in diesem Jahr ausfällt. So ganz viel Spannendes gibt es ja auch zurzeit nicht: Etwas Stuttgart 21, Oslo, aber das ist auch schon Vergangenheit, das Schuldenkasperletheater in den USA (Vorschlag: Einmauern wie bei der Papstwahl) – und Somalia ist viel zu weit weg. Außerdem haben viele schon 2 Euro dafür gespendet.
Also greift die Süddeutsche Zeitung zu dem, was im Augenblick noch zieht: Zwei volle Seiten – eine am  Anfang der Woche für Kardinal Marx, (ein bisschen pastoral versöhnlich so nach dem Motto: Wir versuchen es mal mit einer freundlichen Verpackung) und als Wochenendlektüre Bischof Overbecks Betrachtungen zur traditionstreuen Kirche.

Nun stand in beiden Interviews nichts besonders Spannendes drin, und auch das ist nicht weiter spannend. 
Bischof Overbeck hat mit Vertretern der Lesben- und Schwulenverbände gesprochen und, aber das lese ich nur zwischen den Zeilen durch, den Noch-Katholischen von ihnen das Beichtsakrament empfohlen. Außerdem sorgt er sich darum, dass zu wenig "christliche Geburten" gibt (jedenfalls steht das da so).
Kardinal Marx sieht viele ungelöste Herausforderungen. Aber auch die sind schon in die Jahre und Jahrzehnte gekommen.
Vielleicht sollte man, wenn einem schon Freibad und Eisdieledraußen nicht möglich ist, wenigstens dieses einfach nur genießen. Dass es in der Süddeutschen Zeitung Ende Juli 2011 zwei volle Seiten für katholische Bischöfe gibt. Noch. Denn in ein paar Jahren reicht es vermutlich nur noch für eine kleine Randnotiz.

Seliger Johannes XXIII, bitte für uns. Und hilf uns endlich mal begreifen, was du mit aggiornamento gemeint hast!

Dienstag, 26. Juli 2011

Zukunft!

Kardinal Meisner freut sich. Vermutlich. Denn was ihm nicht gelang, geschieht jetzt, öffentlich und breit angelegt. Wofür steht das C in der CDU?
In dieser Frage ist er ohne Frage ein Vordenker, empfahl er doch bereits 2005, die CDU möge das C streichen (und Frau Merkel als Familienministerin - damals - geschieden, ein geschiedener Mann, ihm graute es nach allen Regeln der allerdings sehr speziellen katholischen Kunst Meisnerscher Prägung).
Doch nun geschieht es. C wie ? Na?

C wie Zukunft!

So künden es ab Montag die Plakate in Mecklenburg-Vorpommern, initiiert vom Kandidaten Lorenz Caffier. Nun hauen sie alle auf ihn drauf, allen voran die einer pubertären Langeweilephantasie sich verdankende Internetseite www.c-wie.de. Ortographische Schwächen ihm zu unterstellen mag noch die harmloseste Variante der Schläge sein. Alles andere mag die geneigete Leserin da nachlesen, wo es steht. Oder es auch bleiben lassen.

Dabei wollte er doch nur ein ganz klein bißchen modern sein. Und Rücksicht nehmen auf die Gefühle der Mecklenburg-Vorpommler, die mehrheitlich mit der christlichen Gesinnung nicht mehr ganz so viel anfangen können (nach der vermasselten PID-Geschichte wohl erst recht). Unterm Strich: Recht hat er, der Mann. Mit dem C lockt man vermutlich wirklich keinen mehr hinter dem Ofen hervor (besser wäre doch angesichts unserer momentanten Hurrakatholiken C wie (very) catholic made by Alexander Kissler und Gloria auf turn mit Taxis).

Doch ob er mit  Zukunft so besser liegt? Die liegt bekanntlich, nach einem christlichen Lied, in  Finsternis und macht das Herz uns schwer. Nach dieser gelungenen Wahlkampfkampagne mag er vielleicht das Liedchen schon ein wenig üben. Immerhin hat es einen christlichen Hintergrund.

Mittwoch, 20. Juli 2011

Stresstest für Pfarrer

Unbestätigten Angaben zufolge planen mehrere Diözesen einen Stresstest für Pfarrer von Gemeinden mit über 10.000 Mitgliedern. Nachdem mehrere Pfarrer aus unterschiedlichen Gründen nach zum Teil nur wenigen Monaten auf ihr Amt verzichtet haben, erwägen die Personalverantwortlichen nun vorsorgende Maßnahmen.
Zu dem Stresstest gehören u.a
  • ein Planspiel, bei dem es um die Leitung einer 45minütigen Sitzung eines aus zerstrittenen Mitgliedern bestehenden Kirchenvorstands geht, 
  • die fundierte Beurteilung der Jahresbilanz eines Altenheimes, das eigentlich längst Konkurs anmelden müsste
  • der Nachweis, innerhalb von zwei Monaten mit einem verantwortlichen Mitarbeiter in einer Abteilung des Generalvikariats einen Gesprächstermin mit einem verlässlichen Ergebnis zu bekommen, 
  • eine nachgespielte Szene, in der sich der Pfarrer vor einem Weihbischof seiner Diözese rechtfertigen muss, dass er in der Messfeier die Interzession im Vater-Unser auslässt 
  • die Bereitschaft, an drei von vier Sonntagen im Monat mindestens vier Eucharistiefeiern mit Predigt halten zu wollen.  

Weitere Elemente wie ein fingiertes Gespräch mit Mitgliedern der Initiative "Kirche von unten", in dem es um eine von diesen akzeptierte Begründung geht, dass die Diakonenweihe von Frauen sowohl auch biblischen wie aus Gründen der Tradition nicht sinnvoll ist, sind zur Abrundung des Ergebnisses möglich.

Andernfalls, so die Presseerklärung der Bistümer, sollen potentielle Pfarrer auch bei erklärter Bereitschaft nicht mehr zur Leitung der sogenannten Groß-Pfarreien eingesetzt werden.

Dienstag, 19. Juli 2011

Offene Grenzen

Unser europäisches Land ist bekannt für seine offenen, toleranten Grenzen. Abgesehen von Wirtschaftsflüchlingen, die nur auf unseren Wohlstand aus sind, Islamistikern, die nur Terror verbreiten, und solchen, die insbesondere per Boot einreisen und nur auf unsere Kleidung und unser Essen aus sind, empfangen wir mit offenen Armen Menschen aus Afrika oder Asien. So weit, so schön, so gut.

Nimmt es da noch Wunder, dass wir als kleines Dankeschön für unsere europäische Gastfreundschaft bereit sind, ihnen umgekehrt unsere radioaktiven Restbestände (unschön: Atommüll genannt) als Gegenleistung zu überlassen? Natürlich zahlen wir auch gerne etwas dafür, man soll sich ja nichts nachsagen lassen.

„Radioaktive Abfälle sind in dem Mitgliedstaat endzulagern, in dem sie entstanden sind, es sei denn, Mitgliedstaaten treffen untereinander Vereinbarungen, Endlager in einem der Mitgliedstaaten zu nutzen“, hatte es in Oettingers im November 2010 vorgestellten Entwurf geheißen. Sprich: Die EU soll sich ab 2015 selber um ihren Atommüll kümmern.

Doch warum denn? Wir, das heißt diesesmal nicht Deutschland, sondern nach der nach wie vor bewundernswerten Pirouette von Frau Merkel und Herrn Westerwelle  vor allem Großbritannien und Frankreich, brauchen doch die Atomenergie, koste es was es wolle. Da je bekanntlich viele Gegenden in Afrika recht menschenleer geworden ist, kann man das doch sinnvoll nutzen. Und die äußerst stabilen Regierungen werden schon dafür sorgen, dass mit den Relikten unserer Energiewirtschaft angemessen umgegangen wird.

Ein Schwarzmaler, ein ganz böser, der vermutet, dass eines Tages irgendein böser Islamistiker auf die Idee kommt, nachts still und heimlich den Müll in irgendein Flugzeug zu packen und retour zu schicken. Denn das wäre ein äußerst unhöfliches Verhalten.

PS.: Da meint doch eine geneigte Leserin, ich würde mir die Nacht um die Ohren schlagen, um meine kleinen Anmerkungen zu verfassen. Mitnichten! Vermutlich wird hier irgendeine Zeitrechnung "eingetragen", die nicht meine ist. Dieses hier habe ich brav um 15.20 Uhr verfasst.

Samstag, 16. Juli 2011

Die Badehose des Bischofs

Das Spannende kommt bekanntlich oft zum Schluss. Zum Schluss wurde Ackermann, Bischof von Trier, gefragt, welche Kleidung er um Urlaub trage. Die Antwort lässt den Rückschluss zu, dass er diesen seinen Urlaub möglicherweise nicht in Soutane und Römerkragen verbringen wird.

So weit, so gut oder auch nicht. Die Reaktionen darauf, in einem so genannten katholischen Nachrichtenportal (nein, es ist nicht die beliebte Satireseite) entspricht Mt 24,28. Da kommen sie also angegeiert und wittern Verrat an der Berufung, geben einschlägige Anweisungen, dass ein Bischof nichts in einer gemischten Sauna zu suchen habe und wittern eine gefährliche Verschiebung der Berufung zum Beruf.

Mag auch sein, dass das nur einzelne sind, die sich da produzieren und echauffieren, aber es gibt sie, und sie werden wohl nicht weniger (zumindest fallen sie immer mehr auf, weil viele andere sich resigniert zurückgezogen haben).

Also: Ein Bischof muss auch im Urlaub unbedingt als Bischof zu erkennen sein. Heißer Tip: Eine Badehose, auf der oben in der Mitte das berühmte weiße Rechteck zu sehen ist (und wenn ich mir die Äußerungen mancher Schreiberlinge durchlesen weiß ich bis jetzt nicht: Ist das Erst oder Satire?

Ach, liebe Leute, ich kann euch alle beruhigen: Heutzutage sagt der mutig getragene Römerkragen nichts, aber auch gar nichts mehr darüber aus, ob sich dahinter ein besonders katholischer Priester oder eher ein Optionsmoralist verbirgt. Es gehört einfach zum kecken Minderheitendesign. Fertig. (Kann man wunderschön nachlesen in einem Aufsatz das Paderborner Pastoraltheologen Christoph Jacobs).

„Schade! Wer weiß, wer vielleicht gerade am Urlaubsort des Bischofs gerne einen als solchen erkennbaren Priester ansprechen würde...“ schreibt ein Leser. 

Wozu? Kann ich mir denken: Um ihm zwei Stunden lang in den Ohren zu liegen, dass sein Heimatpfarrer a) nicht in anständig gekleidet durch die Stadt geht b) schon mal das Vaterunser durchbetet und c) zweimal im letzten Jahr im Hochgebet nicht den Namen des amtierenden Papstes genannt hat.

Rette sich wer kann!

Montag, 11. Juli 2011

Im Zeichen der Schildkröte


so beschrieb der Kirchenredakteur der Süddeutschen, Matthias Drobinksi, heute den Dialogprozess in der katholischen Kirche. Langsam, aber hoffentlich vorwärts.

Nun besaß ich auch mal eine Schildkröte. Ungefähr fünf Jahre lang, bis sie irgendwelche mit Unkrautvernichtungsmitteln gespritzte Blüten fraß, die vom Balkon der über uns wohnenden Nachbarin herunterfielen. Die waren gelb. Gelb, so schien es mir, war ihre Lieblingsfarbe.

Meine Schildkröte war ein sehr zurückhaltendes Tier. Manchmal meinte ich in kindlicher Unbefangenheit, sie würde mich anlächeln. Ich dachte auch, wenn ich ihren Namen sagte, würde sie mich hören. Für Liebkosungen, wie sie Kinder gerne an Haustieren vornehmen, gab es eigentlich nur eine Stelle, nämlich, wenn sie den Hals herraus-  udn leicht nach oben streckte. Das tat sie selten, eigentlich nur, wenn sie zeigen wollte. Ich habe Hunger. Ich kitzelte sie dann leicht. Ich hoffte, es würde ihr vielleicht gefallen.

Die geneigte Leserin ahnt es: Man kann sich förmlich auf den Kopf stellen und mit den Beinen hurra rufen, um mit der Schildkröte in eine Art emotionalen Kontakt zu kommen. Und es gibt kein Tier, was es besser versteht, unter einigermaßen objektiven Gesichtspunkten Gefühle nicht zu erwidern.

Wenn es auf den Winter zuging, verkroch sie sich in einen Haufen Laub, den Kopf tief eingezogen, wie tot. Aber das schien nur so… Im Frühjahr kam sie wieder herausgekrochen und tat, als sei nichts gewesen. Das Leben ging weiter, genau wie vorher.

Manchmal habe ich sie im Garten gesucht. Denn wenn sie wollte, konnte sie überraschend schnell sein. Aber nur, wenn sie wollte. Doch meistens wollte sie nicht.

Eine Schildkröte hat ihre eigene Strategie. Asketisch. Schweigsam. Unergründlich. Höchst sparsam in ihren Lebensäußerungen. Mag sein, dass sie hinter ihrem Panzer tiefsinnigen Gedanken nachgeht. Jedenfalls hat die Gattung Schildkröte mit dieser Strategie unendlich lange überlebt. Dennoch steht sie heute in unseren Breiten unter Artenschutz. Ein bisschen wie ein lebendes Museum.