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Mittwoch, 30. November 2011

Erdbeben auf gut bayerisch

Ein äußerst beschauliches Stückchen Erde: Der Landkreis Regen mit knapp 79.000 Einwohnern (das ist sehr überschaubar) und eine Größe von 975 qkm (das ist schon ein bisschen mehr, das meiste davon ist übrigens Wald, bayerischer, versteht sich) ist, mit Verlaub gesagt, eine der letzten Winkel Deutschlands, ebenso katholisch (geschätzt 103 %) und ebenso der CSU verbunden (etwas weniger als 103 %).
Auf diesem Hintergrund kann man das, was am vergangenen Wochenende e stattfand, nur mit einem einzigen Wort bezeichnen: Erdbeben. Dieses Erdbeben ließ  in München die Kaffeetassen wackeln, löste bei Frau Merkel ein unbestimmbares Auf und Ab der Mundwinkel aus und bescherte dem Bischof von Regensburg gerüchteweise einen mehrminütigen Schluckauf. Geschehen war: Die Stichwahl zum Landrat. Gewählt wurde: Michael Adam. Die Liste seiner Unmöglichkeiten in aufsteigender Reihenfolge: 26 Jahre. Evangelisch. SPD. Wahlergebnis von 57 %. Schwul. Wahlbeteiligung: Knapp 60%, und nur zwei der 24 Stimmbezirke gingen an den CSU-Kandidaten. In seiner Heimatstadt Bodenmais holte Adam ein wahrhaft bayerisches Ergebnis: 73,9 %. Im Hintergrund trillern die Vögelein „Wunder gibt es immer wieder“. Und ganz Fromme wähnen bereits die ersten Boten der apokalyptischen Endzeit
All das wäre für eine Kirchenmaus eher belanglos. Doch beschäftigt sie seit Sonntagabend die bange Frage: Wenn schon dort, im bayerischen Walde, geschieht, was niemand erwartet, keiner vermutet und in den kühnsten Träumen unträumbar ist: Was mag wo noch alles geschehen.
Drum fühle sich niemand zu sicher… Wirklich niemand… Nirgends…

Freitag, 25. November 2011

Auf zum Myrrenberg, zum Weihrauchhügel!

Weltbildläden, vor allem in mittleren und kleinen Innenstädten zu Hause, haben immer den Geruch von ein bisschen konservativ. Hier ein Ratgeber für die glückliche Familie, ein Zimmerspringbrunnen, ein hausbackener Krimi in Sonderausgabe oder auch ein nettes Bilderbuch mit Geschichten vom hl. Nikolaus. Natürlich auch Bildbände über den Papst und ähnliches… Manche Bücher erwecken vor allem den Anschein, dass man sie gerne immer wieder weiterschenkt.

Endlich ist diese in erster Linie bieder und im Hintergrund katholische Kette in die Schlagzeilen geraten: Konnte man doch tatsächlich im Internetauftritt fündig werden: Ein wenig Erotik, so auf dem Niveau früherer RTL-Filme, die Papa verstohlen guckte, wenn Mama schon in süßen Träumen schwelgte, alles auf einem Niveau, über das jeder 14-Jährige altklug schmunzeln würde.

Die konservativ-rechte Flotte, vertreten auf einem Internetportal, dass bemüht ist, ernst zu wirken, und auf einem anderen, dass vermutlich Satire ist (mit manchen Ultrarechtskatholiken, die das tatsächlich ernst nehmen), hat nun zugeschlagen. Pfui Teufel, so rümpfte man die Nase – und selbige Rümpfende haben vermutlich schnell gebeichtet, dass allein schon die Betrachtung dieser Machwerke ihnen unzüchtige Gedanken bescherte.

Zu allem Überfluss garnierte man diesen edlen Kreuzzug noch fromm, sich im strengen Gehorsam den eher allgemein gehaltenen Sätzen des Papstes über zur Entweltlichung wähnend.

Vordergründig: Die Bischöfe sind auf Druck der rechten Ecke weich geworden, welchselbige den nun geplanten Ausstieg als Sieg und sich selbst als Speerspitze päpstlicher Weltabkehr feiert. Dass man diesen Verlag wohl schneller loswird als Frau Merkel ein Atomkraftwerk an Greenepace zum freudigen Weiterbetrieb, sei nur nebenbei erwähnt.

Hintergründig: Die Bischöfe sind froh, dass sie jetzt endlich einen triftigen Grund haben, ihr glänzendes Flaggschiff abzustoßen. Besser kann’s ja nicht kommen. Gewinn hat der Verlag ohnehin nicht gemacht, war irgendwie ein Klotz am Bein – außer Spesen nix gewesen.

Die rechte Ecke jedoch, so ist zu vernehmen, hat sich längst auf einen anderen Verlag eingeschossen, welcher unter anderem folgenden erotischen Text veröffentlicht:

„Wie ein Turm ist dein Hals, in Schichten von Steinen erbaut; tausend Schilde hängen daran, lauter Waffen von Helden. Deine Brüste sind wie zwei Kitzlein, wie die Zwillinge einer Gazelle, die in den Lilien weiden. Wenn der Tag verweht und die Schatten wachsen, will ich zum Myrrhenberg gehen, zum Weihrauchhügel.“ Will jemand wissen, wo der Myrrenberg liegt? Vorsicht, sie lauern schon wieder nach Unzüchtigem!

Donnerstag, 17. November 2011

Fröhliche Zukunftsmusik, vom ehrwürdigen Generalvikariat höchstpersönlich

Da habe ich nicht schlecht gestaunt, als ich einen Werbeflyer für ein Seminar erhielt, das konfessionsverschiedene Brautpaare ansprechen soll. Der evangelische Pfarrer, dem ja leider nicht die große Auswahl liturgischer Gewandungen vergönnt ist, im normalen Talar. Der katholische Kollege im Messgewand! Nun steckt bekanntlicherweise nicht nur der Teufel im Detail, sondern auch Gott höchstpersönlich. So sinnieren wir also ein wenig herum: Nicht, dass man eine konfessionsverschiedene Ehe auch innerhalb einer Messfeier schließen darf, keine Frage. Aber, wenn der evangelische Kollege mit von der Partie ist, geht’s laut Kirchenrecht nur in einem Wortgottesdienst. Und da hat nun laut katholischer Kleiderordnung ein Messgewand, wie der Name schon sagt, nichts zu suchen.
Ein Versehen des Flyeristen? Nein. Nie würden wir einem im treuen Dienst des Bischofs Stehenden mangelnde Sorgfältigkeit unterstellen.
Eine gewisse Eitelkeit des katholischen Kollegen? Ach nein, für diesen Fall gäbe es doch hochfeierliche Chormäntel, die den schlichten evangelischen Talar wie ein Paradiesvogel einen Spatzen um Lichtjahre übertreffen könnte.
Nein. Es bleibt nur eine Lösung. Fröhliche Zukunftsmusik, gewiss nicht ohne die berühmte Portion des „vorauseilenden Gehorsams“, der uns heute ein wenig fehlt. Ja, so sagt dieses Flyer: Bald (wobei beim Herrn 1000 Jahre wie ein Tag sind, man erinnere sich) wird es möglich sein: Eine zumindest ein bisschen ökumenische Messe (der evangelische Kollege muss ja nicht sofort eine Konzelebration starten aber predigen, das wäre doch ganz hübsch, und vielleicht noch ein wenig mehr eingebunden, da gäb’s doch vielerlei Gestaltungsmöglichkeiten….). Am meisten aber freuen wir uns, dass diese Anregung aus dem hochlöblichen Bischöflichen Generalvikariat kommt, getreu dem neuen Motto: Wir hinken nicht mehr hinterher, sondern denken voraus. Und so freuen wir uns schon auf die nächsten Bilder: Die Pastoralreferentin, die während der Messe predigt, das gleichgeschlechtliche Paar, das gesegnet wird (nein, nicht heiraten, das verlangt ja keiner!), der Bischof, der mit vielen Kindern um den Altar herum die hl. Messe feiert, ein Pastoralreferent, der feierlich mit der Leitung einer Gemeinde beauftragt wird… ach, ich hätte viele Vorschläge für zukunftsweisende Flyer. Bis dahin freue ich mich über das, was ich bereits in Händen halte ….

Samstag, 12. November 2011

Ciao Ciao Cavaliere

Die Freudenfeuerwerke sind schon startbereit. Bald wird es so sein, wenn er nicht noch im letzten Augenblick die silviosche Pirouette mit doppeltem Salto rückwärts einlegt. Silvio Berlusconi wird sich ganz seinem reichen, vielfältigen Privatleben hingeben können. 17 Jahre, selbstverständlich mit kleineren Unterbrechungen, stand er an der Spitze dieses wunderschönen Landes, verschrien, verhasst, verschmäht. Und doch immer wieder gewählt. Was man nicht vergessen sollte, wenn man jetzt meint, mit seinem Abgang seien die Pforten des Paradieses geöffnet.

Doch nein, wir werden nicht die Italiener dafür schmähen, dass sie ihm 17 Jahre immer wieder die Chance gaben, seine vielfältigen Fähigkeiten dem geneigten Publikum zu präsentieren. Denn die Italiener sind schlau.

Erstens: Der Cavaliere hat einen äußerst hohen Unterhaltungswert. Das ist heutzutage selten. Hier ein Skandal, da eine verbale Ferkelei, noch eine mentale Flatulenz. Wenn der Cavaliere auftrat, konnte man mit Recht was erwarten. Mehr jedenfalls als von trockenen Hosenanzügen, die auf eine alberne Blagenbande und oder einen bayerischen Dumpfhuber angewiesen sind.

Zweitens: Die Italiener wissen genau: Wenn nicht der, dann jemand anders. Der abgrundtiefe Spott eines einigermaßen gebildeten Italieners über die Politik als Marionettentheater der Wirtschaft wählt dann halt das unterhaltsamere Übel. Besser einen Dreckspatz mit Unterhaltungswert als einen Saubermann, der nur die Strippen versteckt, an denen er gezogen wird.

Drittens: Angesichts von vielen realexistierenden Männchen hatte der Cavaliere wenigstens ein bisschen was von einem richtigen Mann. Hat doch gerade erst der Sexualforscher Kurt Starke über den jungen Durchschnittsmann festgestellt, er habe so viele Berührungs-, Prestige- und Versagensängste, dass er lieber auf Sex verzichten würde.

Viertens, und hier wird es speziell katholisch und kirchenmäusisch: Die Italiener sind einiges gewöhnt und verfügen, zumindest was die Römer angeht, über eine Jahrtausend alte Erfahrung mit illustren Herrschern. In diesem Sinn ist der Cavaliere der wirkliche, wahrhafte und würdige Nachfolger der Renaissance-Päpste. Man sollte dieses Kollektivwissen nicht unterschätzen. Dieses sagt sich: Besser ein Lebemann als ein Trockenetwas.

Oh, ihr werdet alle noch spüren, was euch fehlen wird, wenn ihr erst einmal von einem trockenen Wirtschaftswissenschaftler regiert werdet, der den Wein nur in homöopathischen Dosen genießt, den Charme eines tugendsamen Trappistenmönchs versprüht und dessen Reden die Alternativen zum Einschlafrosenkranz sein werden. Deshalb, lieber Cavaliere: Ad multos annos, vielleicht doch noch im Gefängnis, auf jeden Fall aber von vielen zurzeitblonden, üppigbusigen Frauen umgeben!


Donnerstag, 10. November 2011

Wozu Krisen gut sind

Egal, was man liest und was man hört: Überall werden Krisen beschworen – in der Kirche, in der wir seit ungefähr 25 Jahren in der Krise sind, in der Politik, wo man sich von einer Bankenkrise zur nächsten Staatskrise hangelt, egal ob Griechenland oder Italien oder Frankreich, weiß der Geier, was als nächstes dran kommt.
Inzwischen glaube ich, hat das ganze Krisengerede vor allem einen entscheidenden Zweck: Man agiert und agiert, entwickelt Pläne und Rettungsschirme und neue Konzepte – und das alles erinnert vor allem an den armen Hamster im Laufrad.
Kirchenintern ist die ganze Misere nur noch schlecht kaschiert und zweigelagert. Selbst die Stellschrauben, die man nützen könnte, um für ein wenig Entlastung im Prozess der stark zunehmenden Entfremdung auch bei den eigenen Mitarbeitern zu sorgen (mehr Leitungsverantwortung für Laien, was kirchenrechtlich möglich wäre, vielleicht doch mal ein neues Nachdenken über Vielfalt bei Predigten oder ähnliches, was nun wirklich keinem einen Zacken aus der Krone bricht) werden sorgsam umschifft. Sie würden zumindest kleine Zeichen vertrauensbildender Maßnahmen sein, um mal von den größeren Dingen zu schweigen. Aber noch wichtiger wäre es doch, sich von Idealen zu verabschieden, die in längst vergangenen Zeiten liegen, durch Erinnerungslücken in wunderbar verklärtem Licht erscheinen und in anderem Licht betrachtet auch Akte der Befreiung sind.

Im politischen Kontext hat die permanente Krisenbeschwörung den schönen Nebeneffekt, von anderen Schauplätzen abzulenken. Grenzen des Wachstums? Von wegen. Wirtsschafswachstum wird wieder zu einem undiskutierbaren Wert an sich. Wer redet denn von der Klimakatastrophe (beschönigend inzwischen Klimawandel genannt), von immer häufigeren Dürren in Afrika, von drastisch sich verknappenden Rohstoffen? Da bewältigt man doch lieber eine Bankenkrise nach der anderen (wobei die Banken, nebenbei bemerkt, fast alle nach wie vor Gewinne in Höhen einstreichen, die jede Vorstellungskraft übersteigern).

Woraus zu lernen wäre: Jede schöne Krise hat vor allem den Zweck: Ein paar andere Sachen kann man galant in den Hintergrund schieben.

Freitag, 4. November 2011

Memorandös

Ruhig geworden ist es um’s Memorandum. Zur Erinnerung für alle Schnellgeistigen: Der Text, der von einer Reihe von Theologieprofessoren verfasst wurde und (mal wieder) Reformen in der katholischen Kirche anmahnte. Über die Wirksamkeit solcher Resolutionen war man schon damals geteilter Meinung. Immerhin war dieser Text ein Anlass für den Dialog, den einige Bischöfe angestoßen haben, wobei aus dem Dialog dem Vernehmen nach ein Gespräch werden soll bzw. es sehr unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, was denn nun dialogfähig ist und was nicht.

Nun hat die Zeitschrift „Lebendige Seelsorge“ das schon ziemlich geschlossene Fass wieder aufgemacht und eine Reihe von „Nachbetrachtungen“ veröffentlicht. So richtig gestolpert bin ich über eine. Heinz-Günther Schöttler, Professor für Pastoraltheologie, erklärt seine Gründe, warum er nicht unterschrieben hat. Er erläutert das unter der Überschrift: Qui asinum non potest, stratum caedit: Wer den Esel nicht schlagen kann, schlägt den Packesel, und er berichtet davon, was in der Zeit geschehen ist, nachdem er die „Petition Vatikanum II“ (www.petition-vaticanum2.org) aus dem Jahr 2009 unterschrieben hat:

„Menschen wurde von kirchenamtlicher Seite z.T. erheblich zugesetzt, weil sie Mitarbeiter von mir sind. Sie wurden gleichsam in „Sippenhaft“ genommen. Das hätte ich in der Kirche nicht für möglich gehalten, wenn ich nicht konkret eines Besseren belehrt worden wäre. Das ist es, was mich unfrei macht und unter Druck setzt. Deshalb habe ich das „Memorandum 2011“ nicht unterschrieben – aus Verantwortung für die persönliche und berufliche Zukunft von Mitarbeitern.“ (Lebendige Seelsorge 2011, S. 364).

Nun steht es jedem frei, das zu glauben oder nicht. Die sicherlich hier einsetzende fleißige Theroriebildung mag dem Autor zügig Verfolgungswahn unterstellen. Ganz ausschließen kann man es theoretisch ist. Das wäre schlimm. Viel schlimmer allerdings wäre es, wenn es stimmt, was der Mann schreibt … Dann: Gute Nacht in vielerlei Hinsicht.