sicht-wechsel

Donnerstag, 29. Dezember 2011

Tugendwächter in Sambia

Eine meiner sogenannten „katholischen“ Lieblingsseiten brachte es mit unverhohlenem Jubel: Sambias Kirchen lehnen, ökumenisch einträchtig die katholische mit der evangelikalen Pfingstkirche, Entwicklungshilfe von den USA ab. Begründung: Die USA koppelt diese finanziellen Zusagen daran, dass mehr gegen die Diskriminierung von Homosexuellen getan wird.
Sambia, zur Hälfte christlich, ungefähr zu einem Viertel katholisch, neuapostolisch, protestantisch und freikirchlich, ist dabei eines der beim Thema Homosexualität rigidesten Länder – zudem mit einer extrem hohen HIV-Infektionsrate und einer massiven Tabuisierung von Sexualität.
Nun sind von der katholischen Kirche keine Wunder an Liberalität zu erwarten, weder in Deutschland noch woanders, noch kann man von der Bischofskonferenz in Sambia erwarten, dass sie zur Pressure-Group für Coming-Outler mutiert.
Schräger allerdings sind diejenigen, die auf dieser „katholischen“ Seite ihre Kommentare absondern und die katholische Kirche in Sambia fast zur Hüterin der wahren Moral hochstilisieren, nebenbei, man google nur ein wenig, ein gefundenes Fressen für eher kirchenferne Seiten. Die bringen diese Meldung kommentarlos – jeder weitere Satz ist überflüssig, es passt gut ins bekannte Denkmuster.

Schade, dass von keiner anderen offiziellen Seite nicht wenigstens die Anmerkung kommt, dass eine solche Einstellung selbst mit der – gewiss alles andere als liberalen – Position des Weltkatechismus unvereinbaren ist. Nicht vorzustellen, was los wäre, würde eine Bischofskonferenz nur mal ansatzweise über die Diakonenweihe von Frauen nachdenken….

Donnerstag, 22. Dezember 2011

Neues aus Waterloo

Ein paar Tage vor dem Fest aller Feste erklären mir Psychologen die Welt: Die allermeisten Menschen wollen den Glauben nicht aufgeben, einem aufrechten sozialen Gefüge anzugehören, mag es noch so schräg und schlimm sein. Im Kleinformat wird jeder für sich selbst zur Fallstudie – wenn man die Familie gerade am Fest der Feste noch so unausstehlich und grässlich findet, aber gegen Frotzeleien von außen verteidigt. War doch alles schön, alles nett, alles wundervoll, auch wenn das Fest der Feste droht, zur Apokalypse Now zu mutieren (aber was ist denn Weihnachten anders als ein Vorgeschmack der Wiederkunft des Herrn, und dass es vorher heiß zur Sache geht, hat Er selbst in der einschlägigen Literatur ausführlich dargelegt).

Und im Großformat? „In sozialen Systemen, die starken Einfluss auf die Individuen ausüben, beobachten Psychologen diese Rechtfertigungsmechanismen besonders häufig. Wer etwa vom Wohlwollen von Autoritätspersonen abhängig ist, wird diesen demnach besondere Zustimmung entgegenbringen“ (SZ vom 17.12.11).

Bleibt die Frage offen, wie viel Geld ausgegeben worden ist, um diese bahnbrechende Erkenntnis zu gewinnen. Ich jedenfalls wüsste gleich mehrere Organisation, die dieses ebenso virtuos wie kostenfrei demonstrieren.

Das eigentlich prickelnde an dieser bahnbrechenden Erkenntnis ist aber was ganz anderes: Die Forscher gehören ausgerecht zur Universität Waterloo…



Freitag, 16. Dezember 2011

com net

tvmaria – wer denkt denn bei so einer fromm klingenden Internetseite schon was Schlimmes. Schwerer Irrtum. tvmaria.net sollte es sein, auf der der gläubige User der Einführung des Erzbischofs von Manila fromm beiwohnen konnte, tvmaria.com wurde es dann, und was es da zu sehen gab, konnte, so wurde berichtet, selbst einem abgebrühten Atheisten die Sprache verschlagen. Jedenfalls sollen es sich um Beiwohnungen ganz anderen Art gehandelt haben, die die leidlich fromme Kirchenmaus nicht weiter ausführen mag, will, kann und darf.

Nun sind Fehler dazu da, aus ihnen zu lernen. Natürlich etwas mehr Sorgfalt im Internet. Kann nie verkehrt sein. Aber das wäre zu vordergründig. Denn hintergründig kündet uns doch das Geschehene etwas viel Erhabeneres und zugleich Abgründigeres: Wie eng nämlich Heiligkeit und Verruchtheit zusammenliegen können: Kuh und Bärin, Wolf beim Lämmlein, Leopard beim Böcklein, man erinnere sich – com und net, und das alles eben nicht nur im verweltlichten Internet, sondern im menschlichen Herz.
Und ich erinnere mich daran, wie irgendwelche trunkenen Spaßvögel über das Vordach einer Kirche am Niederrhein die Leuchtreklame eines sich im Abbruch befindlichen Etablissements setzten: club d’amour, was natürlich Predigtstoff genug gab, hatte nämlich einige Zeit vorher ein sich inzwischen in freudig-ewiger Anschauung befindlicher Kardinal verkündet, die Kirche sei doch ein Haus der Freude.
Wie die verirrten User sich verhalten haben, ist nicht überliefert. Die meisten, so darf man glauben, haben jedoch zügig die Konsequenzen gezogen....

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Habemus hominem

Als ich noch ein Student war (das ist lange her), gab’s im Münsterland ein katholisches Pfarrhaus, wo dem Anschellenden hin und wieder ein Junge im Grundschulalter öffnete: Papa, da ist jemand – und wenn man Glück hatte, hörte man eine Stimme: Du sollst nicht Papa sagen, wenn jemand an der Tür ist. Natürlich war das alles im Rahmen des offiziell Erlaubten: Pfarrer und Haushälterin hatten den Jungen adoptiert, manche älteren und ältlichen Fräuleins tuschelten, aber das tun sie immer.

30 Jahre später läuft der Film „Habemus Papam“ – beiden, dem Pfarrhaus und dem Film – ist gemeinsam, dass die Protagonisten aus der Rolle fallen: Der Pfarrer schien nebenbei eine Art guter Familienvater zu sein, und der gewählte Kardinal liebt sein Menschsein mehr als das Amt, entwischt dem kardinalösen Altherrenclub, blinzelt in die Sonne und flaniert beschwingt durch die Straßen Roms.

Der Film verzichtet auf die bekannten Kirchenklischees: Kein Missbrauch, kein mädchenschindendes Internat mit brutalen Nonnen. Die Kirchenkritik schleicht in Filzpantoffeln, aber nicht weniger existentiell: Amt und Mensch, das ist nur noch begrenzt kompatibel. Dem verhinderten Papst reicht die blinzelnde Sonne, andere brauchen mehr. Der Prototyp des Jungklerikers ist oben beströmisch gekleidet und trägt dazu Designerjeans, und ein Paderborner Theologenprof belehrt mich, dass Amtskleidung nichts mehr über progressiv und konservativ aussagt, sondern eine Frage des Designs ist: Sieh her, ich bin gaaaanz offiziell, aber ich habe auch Privatleben. Irgendwann wird’s zum Spagat.

Längst ist es eine Binsenweisheit, dass die, die konservative Parolen predigen, das ZdK ins Fegefeuer wünschen und Lateinisch und die Rückenperspektive lieben, durchaus eine andere Form des Privatlebens praktizieren. Patchwork-Identität nennt man das, vornehm ausgedrückt. Der Papst kritisiert den Relativismus. Aber der hat längst die eigenen Reihen gepackt und fragt nicht nach konservativ oder progressiv.

Dienstag, 6. Dezember 2011

Freiherr: Eure Chance!

In diesen Tagen, da wir uns anschicken, das Fest zu feiern, an dem sich Gott der armen Menschheit erbarmt, gedenken wir in Dankbarkeit und Freude auch der Menschen, die sich ebenfalls unserer Armut annehmen: Dr. ex. Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg. Ja, er wird wiederkommen, den einen zur Freude, den anderen zum Verdruss, geläutert, seine kleinen Schwächen zugebend und neu sich seiner Stärken bewusst, mit klarem Blick für das Wohl künftiger Generationen. Und er wird es geschickter machen als der andere Rückkehrwillige im Bayernlande, S.E. Dr. Mixa, dessen Comeback nur eine kurze Zeit dauerte und der dann wieder ins Stille und Beschauliche des Exbischofseins verschwunden ist.
Denn der Freiherr ist gewandter als der Bischof, und Seehofer schlapper als die bayerischen Bischöfe, die ihrem willigen Bruder Grenzen setzten. Denn der Freiherr weiß, um wie vieles ärmer die Politik geworden ist, seit er sie schnöde schneidet, er weiß, wie sehr das deutsche Volk nach dem korrekt gegelten Befreier lechzt – gerade in diesen Tagen des Advents. Und er weiß: Ein bisschen Schwäche zugeben, das kommt an - wer wird denn so böse sein und das immer noch ausschlachten? Lieber Herr Bischof, was misst doch die Welt mit unterschiedlichen Maßstäben!
Wenn, was wir nicht hoffen, ihm die Politik verwehrt sein sollte – wie wäre es denn mit dem Hintereinstieg über „Wetten dass?“ Wetten, dass es das gut machen wird, richtig gut? Und er hätte auch schon einen ersten Stargast. Natürlich S.E. Dr Mixa. Und ich hätte auch schon ein paar Ideen, welche Wetten besonders passend wäre….