sicht-wechsel

Montag, 22. Dezember 2014

Wo man singt, da lass dich nieder? Stimmt auch nicht immer....

Es war 1980. Joseph Ratzinger war Erzbischof in München und hatte in seiner kurzes Amtszeit schon machtvoll restaurativ gewirkt - nach Döpfner waren die Münchner deutlich ernüchtert. Ratzinger wollte an der Uni einen Vortrag halten. Der Saal: gerammelt voll, aber bevor Ratzinger das Wort ergreifen konnte, fing die versammelte Schar an, "Großer Gott wir loben dich" zu singen. Der Kardinal, sichtlich angetan von so viel Frömmigkeit, sang mit. Eine Strophe, zwei Strophen, drei Strophen. Bei der vierten Strophe hob er seine Hand, um mit mildfreundlicher Geste dem frommen Gesang ein Ende zu bereiten. Vergeblich. Das Lied, bekanntlich strophenreich, erklang in seiner ganzen Länge, während sich das Gesicht des Kardinals deutlich verfinsterte. Aber damit war das unfromme Spiel noch längst nicht zu Ende. Die versammelte Schar stimmte das zweite Lied an. Zur Krönung des heiligen Unheils ließ man zwei weiße Tauben fliegen. Der Kardinal, entschwand ungehalten mit seiner ebenso ungehaltenen Rede in der Tasche. Natürlich ätzten linke Hochschulgruppen tags drauf über einen Kardinal, der auf seine eigenen Lieder reagieren würde wie der Teufel auf's Weihwasser.

An dieser Stelle gestehe ich, dass mich damals die ganze Szene eher belustigt hat. Mein Mitleid mit dem Kardinal hielt sich in Grenzen. Umgekehrt amüsierte mich, dass wohl eine größere Zahl der anwesenden Studenten vermutlich zum ersten Mal nach langer Zeit wieder inbrünstig "Großer Gott wir loben dich" sangen. Schließlich waren unter ihnen viele Langzeitstudenten, die sich eher in der Verbreitung extrem linken Gedankenguts befleißigten als im Studium.

Mir fiel die Szene wieder ein, als ich hörte, dass heute Abend die sogenannten Demonstranten vor der Semper-Oper in Dresden Weihnachtslieder singen möchten. Nun hat sicherlich auch das überwiegend kirchenferne und mehr oder weniger unchristliche  Dresden ein Recht auf Weihnachtslieder. Aber im Munde mancher Demonstranten klingen sie vielleicht ähnlich wie "Großer Gott wir loben dich" im Munde der Studenten, die damals vieles im Sinn hatten, nur nicht die Verherrlichung des großen Gottes. Wobei ich ja nie die Hoffnung aufgeben möchte, dass das Singen von Liedern den Sänger, die Sängerin zu ganz neuen Einsichten bewegen kann. Damals wie heute.

Mittwoch, 3. Dezember 2014

Braunes Exkrement

Zweimal bin ich in den letzten Wochen darüber gestolpert, wie Vertreter der konservativen Ecke äußerst braunes Gedankengut bemühten, um ihre Überlegungen zu illustrieren. Das erste Mal war es der Salzburger Weihbischof Laun, auf meinem zweitliebsten Internetportal von frommen Leserinnen und Lesern sanft umsäuselt (Danke, Exzellenz, Gottes Segen für Eure Exzellenz). Ihm war es ein Herzensanliegen zu betonen, dass, auch wenn der Papst Redefreiheit auf der Bischofssynode einräumt, längst noch nicht jeder Teilnehmer das sagen kann, was er will - schließlich dürfe man auch auf einer Tagung über den Nationalsozialismus oder Stalinismus zwar über beides reden, aber natürlich keine Werbung dafür machen. Und gleiches gelte für das häretische Gedankengut, das der eine oder andere auf der Synode jüngst zu Rom von sich gegeben habe. Wen der Herr Weihbischof der allerschlimmsten Untat zichtet, bleibt natürlich im Dunkeln. Auf jeden Fall scheint er sich um die Rolle des theologischen Schiedsrichters bewerben zu wollen. Wer sich Launs gewagte Gedankengänge antun möchte:

http://www.kath.net/news/48357

Mein zweitliebster "Kulturjournalist" Kissler hat jüngst nachgelegt. Und für die, die hart im Nehmen sind, auch wieder der Verweis:
http://www.cicero.de/salon/krieg-gegen-weihnachten-religion-moderne-gesellschaft/56666

Kisslers These, mehr als steil, sozusagen sowas von steil, dass sie wie eine Pirouette die Abgründe seines Denkens entlarvt: Hitler hätte eine wahre Freude daran, wie Weihnachten missbraucht und entchristlicht wird, ja, feinsinnig, wie Kissler sein möchte, wähnt er einen schmutzigen Krieg der bösen Zeitgeister gegen Weihnachten, der keinen Vergleich mit des braunen Adolfs üblen Machenschaften scheuen muss. Also: Ihr Glühweinsäufer, ihr Atheisten, die ihr es wagt, zu Weihnachten trotz eures Heidentums lustvoll dem Konsumrausch zu frönen, ihr Moslems, die ihr ungeniert ein frohes Fest wünscht: Alles irgendwie irgendwo (nein nein, das hat Kissler natürlich nicht gemeint) willig-blöde Handlanger im Geiste des braunen Adolfs exkrementischen Gedankenguts?

Meine Grundthese ist nach wie vor die: Leider gibt es heute fast nur noch eher schlichte Atheisten, an denen sich ein Theologe wenn überhaupt nur lustlos, weil unterfordert abarbeiten kann.

Ich muss meine These ergänzen: Mögen Kissler und Laun noch so sehr gegen den Zeitgeist der bösen Atheisten kämpfen. In gewisser Weise scheinen sie sich auf diesem Niveau recht wohl zu fühlen. Man sollte ihnen ein paar Stunden Geschichtsunterricht spendieren, dann würden sie vielleicht herausfinden, dass die Nazizeit so grausam und schrecklich war, dass sie zu keinem Vergleich taugt. Vor allem aber lernen wir: Dünngeistige Gedankengänge lassen sich nicht durch den gezielten Gebrauch braunen Exkrements aufpeppen. Im Gegenteil: Die Dünngeistigkeit wird potenziert..