sicht-wechsel

Dienstag, 16. September 2014

Man sieht Ihnen Ihr Alter gar nicht an

"Die christliche Kirche scheint am Ende zu sein. Viele Gründe sprechen dafür. Die Zahl der Kirchenaustritte wächst. Die Geistlichkeit hat Nachwuchssorgen. Aus den eigenen Reihen häufen sich die Angriffe gegen die Kirche. Was wirft man ihr vor? Starr beharre sie auf ihren Privilegien und ihrer Macht; ihre Glaubenssätze seien überholt - andererseits: Sie passe sich zu sehr den Zeitströmungen an...."

Lange habe ich gebraucht, bis ich herausgefunden habe, aus welchem Jahr der Text ist, der einen Aufsatz des evangelischen Theologen Thielicke einleitet. 1976. Das sind bis heute 38 Jahre. Aber: "Man sieht Ihnen Ihr Alter gar nicht an."

Immerhin: Das Ende ist noch nicht eingetreten. Zwischen 1976 und 2014 ist viel passiert.

Viele Autoren haben viel, sehr viel Geld verdient, in dem sie die sogenannte Kirchenkrise analysiert, seziert, erörtert, beleuchtet, erklärt, verortet, sich ihr gestellt und vor allem differenziert haben (Differenzieren ist besonders gut, das wirkt gebildet und am Ende kommt dabei ein ganz anderes Problem heraus).

Bischöfe haben mutig, wild entschlossen und traurig zugleich das Ende der Volkskirche verkündet. Immerhin: Alle Pfarreien haben noch einen Pfarrer (tja, wer hätte das gedacht).

Im Borromaeum in Münster, dem Priesterseminar, werden inzwischen junge und nicht mehr so junge Männer aus halb Deutschland intensivst und mit hohem Betreuungsaufwand auf den Priesterberuf vorbereitet. Dennoch wirkt das Gebäude eigenartig leer. Vermutlich haben wir an der gleichen Stelle in zehn Jahren ein halb europäisches Seminar.

Ansonsten machen wir weiter wie bisher: Taufen Kinder von Eltern, die lange kein Kreuzzeichen mehr gemacht haben, schreiben brav die Kinder der 3. Klasse an, damit sie ein halbes Jahr später oft mit großen Aufwand ihre Erstkommunion feiern können, trauen, wen und wer auch immer sich anmeldet (vorausgesetzt: kirchenrechtlich gehts noch), halten es für erfreulich, wenn 50 % eines Jahrgangs sich firmen lässt - die Liste kann beliebig fortgesetzt werden. Leuten, die austreten, schreiben wir inzwischen einen längeren Brief und sind erstaunt, dass sie kaum reagieren, obwohl wir kaum mit einer Reaktion gerechnet haben.

Und wenn sie nicht gestorben sind ....



1 Kommentar:

  1. Das ist die eine Seite der Medaille. Ich sehe ehrenamtlich engagierte Christen,die so zahlreich tätig sind ,dass niemand mehr den Überblick hat(geht gar nicht),ich sehe interessierte Menschen,die Bibelabende besuchen,und ich sehe Menschen aller Altersstufen in den Gottesdiensten.Klagen und jammern verbraucht Energie,die evtl. an anderer Stelle sinnvoll eingesetzt werden könnte.J. Meixner

    AntwortenLöschen