sicht-wechsel

Dienstag, 27. September 2011

Bundesgenossen

Sattes Lob bekam der Papst nach seiner Deutschlandreise aus einer Ecke, die selbst ihm, der in seinem langen Leben mache Ecken kennenlernen musste, nicht ganz geheuer ist:


Da kommen sie also, die flinken Bundesgenossen für den Prozess „Entweltlichung von Kirche“, und freuen sich über den unverhofften Mitstreiter. Nun sind Schlagwörter in der Regel nicht besonders fruchtbar und weiterführend. Aber auch der Papst lebt nun einmal davon, dass er, gelinde gesagt, nicht ganz machtlos ist – man denke nur an die geschichtlichen Umstände der Gründung des Kirchenstaates und die damit unstrittig verbundenen Vorteile für den jeweiligen Amtsinhaber. Wenn er von Entweltlichung spricht, hat er natürlich nicht den Untergang der Kirche im Sinn, sondern eine Art „Gesundschrumpfen“, Konzentration. Dennoch ist der Blick weit hinter die katholischen und christlichen Mauern nicht ganz überflüssig. Denn dort erhofft man sich, dass der beförderte Prozess der Reduzierung nicht die Konzentration zur Folge hat, sondern dass am Ende eine kleine, unbedeutende, einflusslose Sekte stehen wird. Wenn am Ende dieses Prozesses jedenfalls nur die schlichten Ja-und-Amen-Sager übrig bleiben, mag diese Hoffnung nicht ganz unbegründet sein.

Der Papst verweist auf die Kraft und die Aufbrüche, die nach der Säkularisierung entstanden. Von meinem Kirchengeschichtsprof habe ich allerdings gelernt, dass sich Geschichte nie wiederholt.

Bleibt die Erkenntnis, dass die „Entweltlichung“ alles andere als ein risikofreier Prozess ist. Bleibt vor allem aber der Hinweis, dass Mt 20,26 nur einer sagen darf: Jesus allein. Alle anderen mögen sich an die eigene Nase fassen und sagen: Bei uns soll es nicht so sein. Und bei sich selbst anfangen – mit gutem Beispiel voran…

Samstag, 24. September 2011

Eine kleine Betrachtung über die Natur

Es war alles in nicht ungewisser Weise charmant: Eine im Rahmen ihrer Möglichkeiten nette Frau Bundeskanzlerin, ein Herr Bundespräsident, der freundlich dem Papst das sagte, was er schon wusste, ein Bundestagspräsident, der professionell-locker mit dem hohen Gast umgehen konnte, und, natürlich, vor allem ein Papst, der den christlichen Philosophen gab und die Damen und Herren des Hohen Hauses weder auf den Schlips noch auf das entsprechende weibliche Pendant trat… Und dann diese überaus geschickte Verneigung vor der ökologischen Bewegung, um mit einer gekonnten Virtuosität des Geistes von der Wiederentdeckung der Natur zur Natur des Menschen vorzudringen: „Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muß und die er nicht beliebig manipulieren kann.“ Sind wir zum heimlichen Höhepunkt der Rede gekommen? Ist der Papst endlich an sein Ziel gelangt? Eine Mikrosekunde nur, eher weniger, soll, so hörte man es munkeln, noch ein weiterer Satz überlegt worden sein: "Doch diese Natur des Menschen ist auch in der Geschichte der Kirche und vor ihren Vertretern oft missgedeutet worden, was nicht wenigen Christen Gewissenqualen und Leid zugefügt hat."

Aber nein, er kam nicht, der Satz. So wird also das Mäuschen weiter nachsinnen, was denn nun seiner Natur gemäß sein mag und nicht, was unnatürlich und was widernatürlich ist, was dem göttlichen Schöpfungsplan entsrpechen mag und was nicht. Eines aber weiß es: Die Katze, so wahrhaft natürlich ihr Trieb, Mäuschen zu fangen, sein mag, ist ein wahres Ekelpaket. Und, nur am Rande angemerkt: Die Mäusefalle ist nun doch auch eine ganz und gar unnatürliche Art der Mäusebekämpfung.

Dienstag, 20. September 2011

Im stillen Tal

Da, wo das Altmühltal in immer sanfteren Kurven sich ruhig und gemächlich durch die Landschaft windet, wo das grün der Felder immer satter wird, die Kühe glücklich schauen und die Menschen liebevoll durch die Gegend schreiten, da liegt das Pleasantville der katholischen Kirche. Eichstätt. Dorthin verschlug es mich zum Ende meiner kleinen Fahrradtour. Und ich war mehr als entzückt. Eine durch und durch katholische Stadt, ein Dom mit einem richtigen Bischof, viele Kirchen, ebenso viele Ordensniederlassungen, eine katholische Universität, kirchliche Realschulen, überall, wo man hinschaut: katholische Kirche. Ordinariat. Bibliothek. Dommuseum. Abtei. Kapuzinerkirche. Freundlich blickende, miteinander ins brüderliche Gespräch vertiefte Kleriker (zahlreiche!). Eine fast volle Vorabendmesse im Dom. Und wenn die Glocken läuten, ist das ganze Tal von himmlischer Musik erfüllt. Ach, man könnte stundenlang aufzählen….

Von dem erwerbstätigen Teil der rund 13000 Einwohner/innen scheint mir, grob geschätzt, ungefähr die Hälfte in kirchlichen Diensten zu sein. Die andere Hälfte sorgt dann dafür, dass diese am Leben und bei Gesundheit bleiben und dass Stadt und Kreis gut verwaltet werden. Irgendwie kam es mir vor: Viele von ihnen schauen ein wenig erlöster, ein wenig glücklicher, auch ein wenig selbstbewusster als die anderen Erdenbewohner.  Die Stadt aufgeräumt und sauber, gepflegt, vom milden Licht der Sonne beschienen.... Ein bisschen Himmel auf Erden. Katholischer Himmel, versteht sich.

So weit, so schön. Wären da nicht zwei Fahrräder. Mit Plakaten versehen, die frech zum Kirchenaustritt auffordern, schon mit durchaus geschmacklosen Parolen. Der (allerdings sich nicht namentlich nennende) Eigentümer verspricht mir sogar, die Gebühren zu erstatten, die mir entstehen, wenn ich den Kirchenaustritt erkläre. Da stehen sie nun, wie hässliche Fettflecken auf einer weißen Weste. Passanten gehen vorbei, viele ignorieren die gottlose Botschaft, manche schmunzeln in dieser selbstbewussten Art, mit der man ein freches Wort eines pubertierenden Mädchens quittiert. Man steht über den Dingen. Man lässt gewähren, wohl wissend, dass es den Mond nicht ärgern muss, wenn ihn ein ausgetickter Köter ankläfft.

Nun scheint die katholische Zukunft von Eichstätt gesichert zu sein. Die Hochschule steht für solide, liberal-konservative Qualität, ist begehrt und gefragt. Man lebt gut von der Kirche, und die Kirche lebt gut in der Stadt. Win – win nennt man so was. Im stillen Altmühltal wird das wohl noch lange gelingen… zumindest dort.

Dienstag, 6. September 2011

Der freundliche Herr Brummer

Chrismon gibt’s jeden Monat, kostenlos und frisch als Beilage zur Süddeutschen, zur Zeit, zur FAZ. Die Namen der Herausgeber klingen wie das who is who der evangelischen Kirchen in Deutschland. Eigentlich ein freundliches, gut lesbares Magazin, gerade, wenn man ein Herz für die protestantischen Halbgeschwister hat, mal abgesehen von einigen konfessionellen Zündeleien des schreibtätigen Theologen Kopp („fragen Sie Onkel Eduard“).
In dieser Nummer hat der Chefredakteur Arnd Brummer noch mehr Raum als sonst, erfreut er nämlich die geneigte Leserin mit Anekdoten seiner Biographie und dem hintergründigen Appell gemäß dem hl. Paulus "nehmt mich zum Vorbild". Wie er endlich loskam von der schrecklichen katholischen Kirche, allen und allem voran Joseph Ratzinger („als ich mit meiner Geduld am Ende war“), wie ihm von einem freundlichen Vikar die Tore zur evangelischen Kirche geöffnet wurden, wie drei würdige Damen des Presbyteriums sich des nach geistlicher Heimat lechzenden Mannes annahmen und wie er dann im Paradies landet, keine „Holy Horror Picture Show“, wie er die katholischen Hochämter zu Weihnachten und Ostern bezeichnet, sondern im Schiff das sich Gemeinde nennt sein wichtiges Plätzchen findet, befreit von Ohrenbeichte und Marienfrömmigkeit.  All das wird gekrönt durch sein Schlußgebet: „So danke ich heute dem Herrn, dass er sich seines Knechtes Joseph Ratzinger bediente, um mir den Weg in die neue Heimat zu weisen.“ Amen.
Dieses und noch mehr erscheint zum 13.9. als Buch „unter Ketzern“:  laut Vorankündigung, wie der „junge Intellektuelle“ (Brummer) erzürnt über eine Predigt des bereits häufiger erwähnten Joseph Ratzingers zuerst die Biege und dann die Landung macht. Ein auffällig platzierter roter Punkt weist auf den konkreten Umstand hin: „anlässlich des Papstbesuches“.
Nun kann man mir vieles nachsagen, nur nicht, dass ich nicht ökumenisch denke und fühle. Predigt mit der evangelischen Kollegin zum Reformationsfest, eine zu diesem Fest in einer katholischen Zeitschrift veröffentlichte Predigt und so manches mehr. Gerne war und bin ich bereit, an die Grenzen und manchmal auch hinter die Grenzen des Möglichen in der Ökumene zu gehen.
Niemand kann mir auch nachsagen, dass ich abgesehen von meiner Vorliebe für die Stadt Rom eine besondere Affinität zum Vatikan besäße. Eher muss ich meine Ironie zügeln, wenn’s darum geht zu verschweigen, was sich hinter manch würdig gekleideten Herren in Rom und anderswo so alles an Geschichten und Geschichtlein verbirgt (manchmal kann man gar nicht genug staunen über die Virtuosität der coincidentia oppositorum).
Aber: Ich habe die Nase gestrichen voll von all denen, die unsere Basisökumene, so recht, so schlecht sie funktioniert, kaputt machen wollen, egal, ob sie katholisch oder evangelisch gewandet sind. Ich werde auch nicht zu einem evangelischen Großereignis ein Kompendium all derer veröffentlichen, die von der evangelischen Kirche gefrustet (auch das gibt es) zur katholischen übergetreten sind. Über manche Respektlosigkeiten gegenüber einer anderen Kirche und Konfession kann man eben nicht streiten. Und ich werde auch nicht meine sündige römisch-katholische Kirche ins helle Licht heben, nur um die evangelischen Kirchen schlecht zu reden. Den gemeinen Heiden interessiert es ohnehin nicht, in welche Kirche er nicht geht. Der sorgt für ganz andere Herausforderungen - oder sollte es tun. Aber das scheinen manche in unseren Kirchen inzwischen vergessen zu haben, pflegen den Hurrakatholizismus oder Hurraprotestantismus und hauen sich gegenseitig in die Pfanne.

Herrn Brummer wünsche ich ein paar Tage im stillen Kämmerlein mit dem früher berühmten, inzwischen nicht einmal mehr berüchtigten Alexander Kissler (in etwa der Mario Barth des Rechtskatholizsmus, nur nicht so gefragt), dessen Niveau gewaltige Pirouetten dreht, leider nur nach Süden. Der nicht einmal schwer verdauliche Versuch seines letzten Satireversuchs über Erzbischof Zollitsch ist in seinen Tagebüchern nachzulesen (wer's denn mag). Schade. Er hatte mal bessere Zeiten. Aber das steht auf einem anderen Blatt und juckt die Kirchenmaus schon seit längerem für den Fall, dass es mal nichts Wichtiges zu scheiben gibt. Dazu noch Schmidt-Salomon mit seinem Ferkel. Der - die geneigte Leserin erinnert sich - ist an anderer Stelle bereits hinreichend gewürdigt worden. Nach den paar gemeinsamen Tagen der drei Herren kann es eigentlich nur besser werden.

Ach so: Wer es sich persönlich antun möchte:
http://chrismon.evangelisch.de/artikel/2011/unter-ketzern-12203
und:
http://www.alexander-kissler.de/10.0.html

Und schließe mich gerne einem Vorschlag eines Kommentators an: Den Spiegelkatholen M. noch dazu. Das wird ein Spaß....

Donnerstag, 1. September 2011

Er lebe lang!

Es sind nicht nur die großen Rätsel der Menschheit, die uns schlaflose Mittagsstunden bereiten. "Noch zu meinen Lebzeiten" hat er gesagt, er, Robert Zollitsch, Erzbischof, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, und, was in diesem Zusammenhang wichtig ist, geboren 1938. "Noch zu meinen Lebzeiten"... Gemeint waren Reformen im Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen, welchen, man erinnere sich, bei der Mitfeier der hl. Messe nur die geistliche Kommunion gestattet ist, was in den meisten Pfarreien ebenso intensiv befolgt wird wie Jugendliche die gemäß immer noch gültigen Moral der katholischen Kirche sündig-verbotenen Freuden der Jugend beichten - trotz aller Bemühungen des jugendlichen Teil des Klerus, ihnen mit freundlichem Lächeln einerseits und andererseits schon über 100 km Luftlinie als Kleriker zu erkennen eine breite Brücke zur Amtskirche mit all ihren moralischen Segnungen und Weisungen bauen zu wollen.
Doch zurück zu den Lebzeiten des Erzbischof Dr. Zollitsch, dem wir, das sei jetzt hier ohne jede Einschränkung verkündet, noch ein langes, wirklich langes Leben wünschen - und dabei schon die Doppelbödigkeit seiner nur vordergründig so simplen Botschaft spüren. Lebt er lange, sehr lange, mag's noch dauern mit der offiziellen Veränderung der Einstellung. Lebt er nur noch kurz (was der Herr verhindern möge), mag sein prophetisches Wort vielleicht doch nicht in Erfüllung gehen - wir kennen sie ja, die römischen Mühlen, die nur ganz selten, subito santo, ganz schnell werden können (wir denken immer noch an eine Tagung, die Würzburger Synode genannt wurde und deren Anfragen von einem römischen Schreibtisch zum anderen wandern, wenn überhaupt).
Oder steht er bereits in der Tradition der hervorragenden Vertreter der Anfänge des Christentums, welche auch zu ihren Lebzeiten so manches erwarteten, was Kohorten fleißiger Exegeten auf den Plan rief, die uns erklärten, wie das gemeint war - nämlich auf keinen Fall "vertan, vertan"?
Rätsel über Rätsel. Es sei Erzbischof Dr. Zollitsch gedankt, dass er im Blick auf die übersichtlicher werdende Spanne seiner irdischen Lebenszeit zur Eile mahnt, damit der Problematik der wiederverheiratet Geschiedenen nicht das gleiche Schicksal widerfährt wie die für kirchliche Verhältnisse relativ zeitnahe Rehabilitierung Galileo Galileis oder die freundliche Erlaubnis weiblicher Messdiener. Wir erinnern uns (aber nur schwach).
Oder wollte Zollitsch, verschmitzt wie er manchmal ist, uns nur eines signalisieren: Dass seine Lebenszeit im gut christlichen Sinn nie enden wird (nur gewandelt, neu geschaffen)?
Dann freilich beherrscht er perfekt die hohe Kunst kirchlicher Diplomatie: Die harte Wahrheit in eine gefällige Verpackung stecken.

Egal.

Er lebe lang, lang, lang!